Engenahof

Aus Norder Stadtgeschichte
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Engenahof

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Basisdaten
Entstehungszeit 1617 (1970)
Erbauer Erhard Lüppena
Bauweise Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Am Markt 10

26506 Norden

Der Engenahof (auch: Remet Engen Hof; früher: Kenenburg; zeitweise: Herberge zur Heimat, Vereinshaus, NSDAP-Parteihaus) ist ein historisches, denkmalgeschütztes Gebäude an der Südseite des Norder Marktplatzes. Seit Oktober 1945 befindet sich hier der Hauptsitz der Norder Polizei. Zuvor diente es als NSDAP-Parteizentrale, Herberge, Vereins- und Wohnhaus mächtiger Persönlichkeiten. Der Name leitet sich vom Adelsgeschlecht der Engena ab, die als Nachfolger der tom Brook gelten und das diesem Geschlecht gehörende, auf dem Grund des heutigen Gebäudes befindliche Anwesen erbten.

Die früheren bzw. heutigen Grundstücke 9 bis 10 bildeten einst eine Einheit, was das Vorspringen dieser Häuserzeile aus dem Gesamtbild des südlichen Marktes erklärt. Dieser große Bau war der eigentliche Engenahof. Die Bezeichnung hat sich jedoch für die Hausnummer 10, dem heutigen Polizeidienstgebäude, erhalten. Von den beiden ehemals benachbarten Gebäuden, der Holzhandlung Frericks und dem Haus Monsieur, ist nur noch letzteres erhalten.

Geschichte

Die Kenenburg, aus der später der Engenahof wurde, war ursprünglich im Besitz der tom Brook. Wann genau diese erbaut wurde, ist nicht überliefert. Wie auch bei der Kenenburg in Oldeborg (Gemeinde Südbrookmerland) geht der Name wohl auf Keno Kenesna, den Begründer des Geschlechts der tom Brook zurück. Dieser gab sich als erster im Jahre 1361 den neuen Nachnamen, weshalb entsprechend von einem Bau vor dieser Zeit auszugehen ist.

Die tom Brook besaßen, wie alle führenden Herrschaftsgeschlechter des Norderlandes, ein Anwesen am Norder Marktplatz als Zentrum des florierenden Viehhandels in Stadt und Umland. Ihre dortige Burg umfasste die heutigen Hausnummern 10 bis 11 und die ehemalige Hausnummer 9. Dies erklärt, warum diese Häuserzeile aus dem Bild des südlichen Marktes deutlich sichtbar hervorragt. In der Lebensgeschichte des Hayo Rykena und des Ubbo Emmius wird die Kenenburg als großes Steinhaus beschrieben.[1] Offenbar gehörte auch ein Bauernhof mit rückwärtig gelegenen Stallungen und Schuppen zum Anwesenden, was auch im Stadtzentrum seinerzeit nicht ungewöhnlich war.[2]

Nach Ostern 1430 wurde entweder die Olde Borg oder die Kenenburg von den Brookmerländern belagert, konnte jedoch standhalten. Stattdessen hielten sich die Angreifer schadlos am nahegelegenen Dominikanerkloster, wo sie die Kirche plünderten und nachfolgend niederbrannten.[3][4]

Nach dem Sieg von Focko Ukena über die tom Brook bei der Schlacht auf den Wilden Äckern 1427 fiel die Burg an die mit ihnen versippten Idzinga.[5] Nach dem Tode der letzten Idzinga, Hima, die 1439 kinderlos im Kloster Marienthal verstarb, fiel die Burg von Rechts wegen an Edzard Cirksena als ostfriesischen Landesherren und danach an seinen Bruder Ulrich.[6] Die Cirksena hatten als Grafen Ostfriesland unmittelbaren Anspruch auf die Besitztümer der Idzinga.

Später fiel die Burg an die Engena, die ihren Hauptsitz vermutlich in Engerhafe (Gemeinde Südbrookmerland) hatten, was in unmittelbarer Nachbarschaft zu der ursprünglich im benachbarten Oldeborg ansässigen tom Brook lag. Wie genau das Anwesen in ihren Besitz gelangten, lässt sich mangels Quellen nicht mehr genau nachvollziehen. Denkbar ist, dass sie bei einem den Cirksena an Macht überlegenen Fürsten auf Überlassung von Besitztümern der tom Brook als legitime Nachfolger klagten. Dies war in früheren Zeiten nichts Ungewöhnliches, gab es doch keine ordentlichen Gerichte in ihrer heutigen Form. Von Remet Engena vererbte sich der Engenahof auf die Familie des Bürgermeisters Hayo Rykena. Dieser wiederum vermachte den Hof im Jahre 1605 seinem Neffen und Erben Erhard Lüppena, einem Abkömmling des Geschlechts der Häuptlinge von Soltborg (heute ein Teil der Gemeinde Jemgum im Landkreis Leer).[2][7] Dieser erbaute das bis heute bestehende Gebäude im Jahre 1617, wie die Inschrift Anno 1617 an der Stirnseite des Hauses verrät.

Lüppena wurde 1620 Bürgermeister von Norden und blieb dies bis 1643. Hierbei dürfte ihm sein prachtvoller Besitz sicherlich bei der Erlangung dieses Amtes behilflich gewesen sein, wurden doch in früheren Zeiten nur wohlhabende und verdiente Persönlichkeiten vom Landesherren in diesem Amt eingesetzt. Das neue Gebäude war allerdings wesentlich kleiner als sein Vorgängerbau und umfasste nur die heutige Hausnummer 10. Die Nummern 9 (Holzhandlung Frericks) und 11 (Haus Monsieur) wurden erst später auf dem Grund des einst größeren Bauwerks errichtet. An die Herren von Soltborg erinnert heute noch ihr Wappen an der linken Giebelseite. Es zeigt einen goldenen Löwen im blauen Feld, zwischen dessen Vorder- und Hinterpranken ein goldenen, sechsstrahligen Stern erscheint.[2] Das Pendant auf der rechten Seite zeigt vermutlich das Wappen der Rykena.[8] Das weitere Schicksal des Anwesens ist zurzeit ungewiss, wahrscheinlich verblieb es über viele Jahre im Besitz der Nachkommen von Lüppena. Da das benachbarte Haus Monsieur (Hausnummer 11) vom Amtsnachfolger Jacobus "Monsieur" Wermelskirchen errichtet wurde, der wahrscheinlich mit Lüppena verwandt war, ist auch eine Eigentumsübertragung an ihn denkbar.[9] Sicher ist hingegen, dass 1836 der obere Giebel durch den Kaufmann Reinhard Rahusen aufgemauert wird. Die Inschrift 1836 R. Rahusen am Giebel weist darauf hin.[10] Der ursprüngliche Giebel ging wohl kurz zuvor verloren.[8]

Nachdem das Gebäude fortan weitere Jahre als Wohnhaus genutzt wurde, baute der Norder Verleger Diedrich Gerhard Soltau es 1884 oder 1885 zu einer Herberge um, die er am 13. März des letztgenannten Jahres einweihte und den Namen Herberge zur Heimat gab. Hier konnten vor allem arbeitslose, wandernde Handwerksburschen gegen ein geringes Entgelt Essen und Unterkunft finden.[11][12] Ungefähr seit der Jahrhundertwende befand sich im Gebäude dann auch das sogenannte Vereinshaus, das verschiedene Norder Vereine als Ort für Veranstaltungen nutzten. Die Herberge wird auch im Adressbuch der Stadt Norden von 1897/1898 als "Evangelisches Vereinshaus (Herberge Zur Heimat)" genannt.[13]

Seit spätestens Anfang 1935 und noch bis 1945 war das ehemalige Vereinshaus dann die Parteizentrale der NSDAP.[14] In den letzten Kriegstagen wurde das Gebäude dadurch zu einer Art Zufluchtsort für die aus den anderen, bereits besetzten Städten geflohenen Parteifunktionären. In Anbetracht der Durchhalteparolen der letzten, fanatischen Nationalsozialisten empfanden die Norder ihre immer größer werdende Zahl als Provokation, sodass sie Anfang Mai die Parteizentrale stürmten und die Funktionäre gewaltsam vertrieben.[15] Nur wenige Monate nach Kriegsende, im Oktober 1945, bezog die Polizei Norden das Gebäude, die bis dahin in der Dritten Schwester ansässig war. Offensichtlich wollte die britische Militärregierung mit dieser Maßnahme ein deutlich sichtbares Zeichen für einen Neuanfang der deutschen Polizei in diesem belasteten Gebäude setzen.

1970 wurde das Gebäude bis auf den Keller und die Fassade gen Marktplatz abgebrochen und neu errichtet. Heute stehen die historischen Bestandteile unter Denkmalschutz. Die benachbarte Frericks'sche Holzhandlung wurde 1978 ebenfalls abgebrochen, auf dem rückwärtigen, zur Holzhandlung gehörenden Gelände entstanden ein Nebengebäude mit zwei Dienstwohnungen für den Hausmeister und den Schirrmeister nebst Garagen. Hier befinden sich heute unter anderem eine Abteilung des Ermittlungsdienstes.

Die Fassade des Hauptgebäudes wurde letztmalig 2010 renoviert, das Dach wurde 2017 wegen Baufälligkeit erneuert, der überwiegende Teil des Gebäudeinneren besteht jedoch noch originalgetreu aus den 1970er Jahren und gleicht daher einem Museum, was wohl insbesondere auf die traditionelle Geringschätzung der Polizei bei der Zuweisung von Mitteln aus dem Landeshaushalt zurückzuführen ist. Seit der Jahrtausendwende bestehen Planungen zu einem Neubau, die jedoch bis heute aus den genannten Gründen nicht umgesetzt wurden.

Beschreibung

Das Haus ist giebelständig zum Markt hin ausgerichtet, der traufständige Gebäudeteil an der rechten Seite des Hauses war ursprünglich ein eigenständiges Giebelhaus, das im 19. Jahrhundert seinen Giebel verlor und neu aufgemauert worden. Von diesem Gebäudeteil blieb lediglich die Fassade erhalten. Dahinter befindet sich seit 1970 ein Neubau. Die Jahreszahl 1836 am oberen Giebel datiert auf das Baujahr des oberen Giebels.

Zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoss des giebelständigen Gebäudeteils gibt es drei Kartuschen aus Sandstein, von denen die linke das Wappen der Familie Lüppena zeigt, während die rechte ein gespaltenes Schild ziert, das möglicherweise das Wappen der Familie Rykena zeigt. In der mittleren Kartusche ist das Baujahr 1617 zu sehen.

Über der rechteckigen Eingangstür befindet sich ein Oberlicht mit geschwungenen Füllhörnern, das eine Nachbildung des 1840 vom Kunsttischler Coord Siemen Coordes ist.[16][17] Über den Fenstern im Erd- und ersten Obergeschoss befinden sich doppelte Entlastungsbögen mit Diamantquaderung. Sie zeigen, dass das Haus zu seiner Erbauungszeit mit Kreuzstockfenstern ausgestattet war.

Trivia

Nach alter Hausnummerierung hatte das Gebäude die Hausnummer 327.[18]

Galerie

Einzelnachweise

  1. Dekker, Gudrun Anne (2010): Ubbo Emmius: Leben, Umwelt, Nachlass und Gegenwart, Norderstedt, S. 171
  2. 2,0 2,1 2,2 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 46
  3. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 43
  4. Möhlmann, Günther (1959): Norder Annalen. Aufzeichnungen aus dem Dominikanerkloster in Norden, Aurich, S. 70
  5. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 29
  6. Schweckendick, W. (1843): Frisia - eine Zeitschrift zur Belehrung und Unterhaltung, Band 1, Emden, S. 42
  7. Canzler, Gerhard (1989): Norden - Handel und Wandel, Norden
  8. 8,0 8,1 Pühl, Eberhard (2007): Alte Backsteinhäuser in Ostfriesland und im Jeverland. Backsteinbauten des 15. bis 19. Jahrhunderts, Oldenburg, S. 164
  9. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 30
  10. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 103
  11. Basse-Soltau, Ursula (2007): Biographie des Diedrich Gerhard Soltau, veröffentlicht bei der Ostfriesischen Landschaft
  12. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 202
  13. Adressbuch der Stadt Norden von 1897/1898
  14. Forster, Hans / Schwickert, Günther (1988): Norden. Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz, Norden, S. 82
  15. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 64
  16. Dehio, Georg (1992): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Bremen, Niedersachsen. 2. Auflage, München, S. 993
  17. Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 76
  18. Cremer, Ufke (1938): Die Hausnummern Nordens im Jahre 1812, Norden, S. 1

Siehe auch