Gasthof Jerusalem

Aus Norder Stadtgeschichte
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Gasthof Jerusalem

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Basisdaten
Entstehungszeit vor 1737
Erbauer unbekannt
Bauweise (verputzter) Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand 1962 abgebrochen
Genaue Lage Osterstraße 1

26506 Norden

Der Gasthof Jerusalem (von 1933-1945: Altdeutscher Gasthof) war eine Gastwirtschaft in unmittelbarer Nähe zum Norder Marktplatz an der Osterstraße 1. Nach dem Abbruch des historischen Gebäudes im Jahr 1962 wurde hier eine Filiale der Deutschen Bank erbaut, in einem rückwärtigen Gebäudeteil wurde allerdings noch bis 1978 eine Gaststätte unter dem altbekannten Namen geführt.

Geschichte

Eine Gaststätte lässt sich an diesem Standort bereits seit 1600 nachweisen.[1][2] Vermutlich hieß er zu dieser Zeit Gasthof Stadt Jerusalem.[2] Der Name, der in seiner heutigen Form erst seit dem Jahr 1737 nachweisbar ist, geht auf eine jahrhundertealte Überlieferung zurück, nach der sich im Jahre 1217 mehrere friesische Krieger am Marktplatz zusammenfanden, um von hier aus ihre gemeinsame Teilnahme am Fünften Kreuzzug in das Heilige Land zu beginnen.[3]

Am 6. September 1740 ersteigerte Bürgermeister Wilcken den Gasthof.[4] Einem Kaufbrief zufolge wechselte das Gebäude am 26. März 1764 erneut für 4.510 ostfriesische Gulden den Eigentümer.[3][5] Verkäuferin soll die Witwe Janneke von Goens des bisherigen Eigentümers, einem Mann mit Nachnamen Lamberti, gewesen sein.[3] Als Käufer trat ein Jan Johan Claßen in Erscheinung. Im Kaufvertrag wurde erwähnt, dass am Giebel des Gasthofs ein kupfernes Schild mit einem Abbild der Stadt Jerusalem zu sehen war.[5] 1872 wurde Gastwirt Ocke Meewes Verwer neuer Eigentümer des Gasthofs, nachdem dieser bereits 1851 den rechten Teil des benachbarten Gräflichen Hauses erworben hatte.[6]

In den Folgejahren wechselte der vor allem bei den wohlhabenden Bauern aus der Ostermarsch beliebte Gasthof häufig den Besitzer.[1] Bis 1887 wurde die Witwe des Kaufmanns Wirtje von Höveling Besitzerin. 1903 wurde Dirk Oldewurtel als Besitzer genannt.[5] Von 1906 bis 1912 gehörte der Gasthof Habbo Lübbers.[5][6] 1920 gehörte Jan de Vries die Gaststätte. Seit dem 15. August 1921 bis zu dessen Ende gehörte der Gasthof der Familie Claassen, beginnend mit Claas Claassen und von 1960 bis 1962 dessen gleichnamiger Sohn.[1][6]

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste der Gasthof seinen Namen ändern und hieß fortan Altdeutscher Gasthof.[7] 1962 wurde das Haus vollständig umgebaut und beherbergt seit dieser Zeit in den vorderen Räumen die Deutsche Bank, während im Seitentrakt die kleine Gaststätte Jerusalem noch bis 1978 an vergangene Zeiten erinnerte.[6][8] Heute wird noch die dahinter liegende Lohne umgangssprachlich als Jerusalemlohne bezeichnet.

Beschreibung

Der langgezogene Bau befand sich mit dem Eingang (giebelständig) zur Osterstraße gerichtet. Der geschwungene Giebel zierte das dahinter befindliche Walmdach, das über mehrere Schornsteine verfügte. Die weiße Fassade schmückten mehrere, im Erdgeschoss mannshohe Fenster.[5] Ebenfalls gehörten Stallungen für bis zu 100 Pferde zum Gasthof.[2]

Durch den Haupteingang gelangte man zunächst in die große Halle, das sogenannte Vorhaus. Von hier aus befand sich links die Küche und rechts eine Stube. Von dort führten zwei Treppen in einen großen Saal (Kammer), der durch einen großen, mit Torf befeuerten Kamin geheizt werden konnte.[2][5]

Der sich vor dem Haus an der Marktseite befindliche und immer noch existierende Brunnen wurde von den Anliegern gemeinschaftlich genutzt. Er bestand ursprünglich aus großen, sogenannten Sargsteinen.[5] Über ihm sollte 1859 ein Brunnenhaus errichtet werden, dessen Bau sich jedoch dadurch verzögerte, dass die Stadt keine ausreichenden Fördergelder zur Verfügung stellte. Vielmehr sollten die Anwohner, die Interessengemeinschaft, den Bau finanzieren. Letztlich wurde ihnen 1891 der Bau und die alleinige Instandhaltung auferlegt. Kämen sie dem nicht nach, würde die Stadt den Bau selbst vornehmen und die Kosten in Höhe von 60 Mark auf die Interessentengemeinschaft umlegen.[9]

Der Bierkeller, also die eigentliche Gaststätte, hatte einen separaten Eingang zur Marktseite.[1]

Trivia

Als Pendant zum Gasthof wurde die gegenüberliegende auch Bethlehem genannt. Fragte jemand: "Wullt du na Jerusalem?", so konnte es vorkommen, dass er die Antwort: "Nee, ik gah na Bethlehem." bekam.[3]

Nach alter Hausnummerierung hatte das Gebäude die Hausnummer 9.[10]

Die älteste Gaststätte Englands, die 1189 in Nottingham zugelassen wurde, trug ebenfalls den Namen Jerusalem.[2]

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 74
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Wirteverein für Stadt und Landkreis Norden (1973): Chronik. 70 Jahre Wirteverein für Stadt und Landkreis Norden, Norden, S. 63
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 179
  4. StAA, Rep. 234, Bd. 149, S. 677
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 43
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 44
  7. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 241
  8. Schreiber, Gretje (1994): Nordens Häuser und ihre Bewohner (I) Die Leute in der Osterstraße, in: Ostfriesischer Kurier 1./2. Oktober 1994, S. 7
  9. Stadtwerke Norden (2021): Zeitreise in Text und Bild. 125 Jahre Stadtwerke Norden, Norden, S. 5
  10. Cremer, Ufke (1938): Kontrollverzeichnis der Stadt Norden von 1812, Norden, S. 1

Siehe auch