Liste der Eindeichungen

Aus Norder Stadtgeschichte
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Deichlinie vor der Ersten Dionysiusflut (1374) nach Niemeyer, Kaiser, Brandt und Glaser.
Deichlinie nach der Ersten Dionysiusflut (1374) und vor dem Bau des Udo-Focken-Deichs (1425) nach Niemeyer, Kaiser, Brandt und Glaser.

Die Liste der Eindeichungen lässt den Prozess der Neulandgewinnung und des Küstenschutzes besser verstehen.

Geschichte

Die Stadt Norden liegt auf einer Geestinsel, die erhaben aus dem Meer ragt. Die erhöhte Lage der Altstadt lässt sich besonders gut an der Straße Burggraben erkennen, wenn man diese von Süden her in Richtung Marktplatz befährt. Die Norder Innenstadt wurde daher bewusst als Stadtkern gewählt und man errichtete hier die beiden großen Kirchen (Andreaskirche und Ludgerikirche), die den Bewohnern auch Schutz bei Sturmfluten bieten sollte. Wann genau die ersten Deiche errichtet wurden, ist nicht bekannt, doch dürften diese bereits in der Zeit vor 1000 nach Christus gebaut worden sein. Sie waren jedoch in keiner Weise mit den heutigen Deichen vergleichbar, sondern vielmehr einfache Erdaufschüttungen, die bei schweren Sturmfluten oftmals brachen.

Insbesondere das 14. ging als das Jahrhundert verheerender Sturmfluten in die Geschichte ein. Herausragend schwere Schäden richteten vor allem die Erste und die Zweite Dionysiusflut an. Unter anderem wurde das einst wohlhabende Dorf Westeel ans Meer verloren. Eine weitere, besonders schwere Sturmflut war die Weihnachtsflut im Jahre 1717, in dessen Folge die Ortschaft Itzendorf aufgegeben werden musste. Diese nicht unerheblichen Gebietsverluste waren vermutlich darauf zurückzuführen, dass durch die Wassermassen vielfach Bereiche erodiert wurden, in denen Bodenmaterial wie beispielsweise Torf anstand, das weit weniger widerstandsfähig gegenüber den Einwirkungen bei Sturmfluten war als Klei in der Marsch. Das natürliche Gleichgewicht zwischen Land und Meer war nun derart gestört, dass eine nachhaltige Verlandung einsetzte, die die Menschen für sich nutzten und durch Baumaßnahmen weiter beschleunigten, um so das Land zurück zu gewinnen.[1]

Die ersten bekannten Baumaßnahmen nach den verheerenden Sturmfluten waren jene für den Bau des Udo-Focken-Deichs ab 1425. Über 100 Jahre versuchte man immer wieder, die Küstenlinie mit Deichen vor ungehinderten Überflutungen zu stoppen, bis es 1539 schließlich gelang.[2] In der Folgezeit wurden große Erfolge beim Landgewinn erzielt, so wurde das nun so genannte Süderneuland ab der Mitte des 16. Jahrhunderts dem Land entrissen. Zwar kam es auch danach immer wieder zu Deichbrüchen, doch überwog der Landgewinn den -verlusten bedeutend.

Auf das Stadtgebiet bezogen erfolgte die letztmalige Eindeichung neuen bzw. verlorenen Landes von 1947 bis 1950 mit der Bedeichung des Leybuchtpolders, der heute den größten Teil des gleichnamigen Ortes einnimmt. Anschließend wurden, vor allem aus Umweltschutzgründen, lediglich Deichverstärkungsmaßnahmen ergriffen. Seitdem dienen Deiche nur noch dem Schutz, nicht mehr der Landgewinnung. Pläne, die gesamte Leybucht einzudeichen, wurden aus den genannten Gründen verworfen.

Die unten aufgeführte Karte stellt einen Versuch dar, die Ausdehnung der Leybucht um das Jahr 1400 darzustellen. Der blau unterlegte Bereich stellt die Leybucht dar, während die roten Linien den Deich- bzw. Küstenverlauf veranschaulichen sollen. Dabei ist zu beachten, dass sich der genaue Verlauf nur grob veranschaulichen lässt und vom tatsächlichen Verlauf abweichen kann. Im Groben deckt sich die Kartenansicht jedoch mit den aktuellen Erkenntnissen.

Beginn des Deichbaus

Anfangs bestanden Deiche lediglich aus aufgeworfener Erde, erst später wurde der Deichbau komplexer. Erste Innovationen bestanden darin, die Deichnarbe mit Strohschichten zu verstärken. Dabei legten die Deicharbeiter eine dünne Lage Stroh, die sogenannte Decke, auf den Deich und trieben sie dann mit einer großen Nadel 60 bis 80 Zentimeter tief in den schweren Kleiboden, aus dem der Deich üblicherweise bestand.[3][4] Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann die Deichacht schließlich mit der Verstärkung der Deiche durch Besteinigungen, sehr zum Missfallen der Norddeicher Badegesellschaft, da der Weg in das Meer nun mit Steinen versehen war.[5]

Um die Oberfläche des Deiches festzuhalten hat sich der Einsatz von Schafen bewährt. Ihre Hufen eignen sich hervorragend hierzu, Versuche mit anderen Tierarten brachten weniger Erfolg. Gleichzeitig fressen die Schafe das Gras und halten so die für die Festigkeit der Erde wichtige Grasnarbe dicht. Der Schäfer profitiert durch kostengünstige Weidefläche für seine Tiere.

Tacitus und Cicoer (römische Gelehrte) berichten, dass die Friesen und Bataver die Kunst des Deichbaus von den Römern übernommen haben. Andere Forscher glauben, die Normannen hätten dies den Friesen gelehrt. Die heutige Wissenschaft vertritt die Ansicht, dass nicht einem einzigen Volke die Erfindung des Bauens von Deichanlagen zuzuschreiben ist, da jedes von Überschwemmungen bedrohte Volk selbständig die Wirkung von Erdwällen gegen Wasser erkannt haben kann.[6] Dies ist auch deshalb naheliegend, dass die Ostfriesen bis zur christlichen Missionierung im 8. Jahrhundert ein heidnisches Volk waren, das an mehrere Götter glaubte. Die Christen jedoch sahen Überflutungen jedoch regelmäßig als unabwendbare Strafe Gottes und lehnten den Deichbau daher als unnötig ab.

Neulandgewinnung

Durch die Neulandgewinnung infolge der Deichbaumaßnahmen entstand mehrere Polder, deren Auflistung sich nachfolgend findet. Da einige Poldernamen nicht bekannt sind, wir teilweise nur der maßgebliche Deich aufgeführt.

Fertigstellung Name des Polders oder Deiches * Stadtteil Fläche Nr. auf Karte
Zustand am Ende der wesentlichen Deichbaumaßnahmen nach H. Homeier (1955, 1969).
um 1200 Ostermarscher Altes Neuland Ostermarsch unbekannt
um 1450 Ostermarscher Neuland Ostermarsch unbekannt
1347 Westermarscher Altland Westermarsch I unbekannt
1430 Udo-Focken-Deich Süderneuland II unbekannt
1551 Westermarscher Altes Neuland Westermarsch I 578 Hektar 2
1556 Süderneuland Süderneuland I 633 Hektar 3
1576 Ostermarscher Seedeich Ostermarsch unbekannt **
1576 Lintelermarscher Seedeich Norddeich unbekannt **
1583 Westermarscher Neuland Westermarsch I 585 Hektar 4
1596 Addinggaster Neuland Süderneuland I 229 Hektar 5
1678 Wester-Charlottenpolder Neuwesteel 281 Hektar 7
1678 Süder-Charlottenpolder Neuwesteel 285 Hektar 7
1679 Mandepolder Ostermarsch unbekannt
Zustand am Ende der wesentlichen Deichbaumaßnahmen nach E. Rack (1947).
1715 Addinggasterpolder Süderneuland I 76 Hektar 8
1769 Leysanderpolder Neuwesteel 145 Hektar 9b
1774 Zuckerpolder Westermarsch I 15 Hektar 10a
1775 Buscherpolder Westermarsch I 48 Hektar 10b
1781 Schulenburgerpolder Neuwesteel 241 Hektar 10c
1789 Friederikenpolder Westermarsch I 20 Hektar 11
1789 Lorenzpolder Westermarsch I 40 Hektar 11
1804 Teltingspolder Neuwesteel 28 Hektar 12a
1846 Ernst-August-Polder Neuwesteel 218 Hektar 13
1929 Neuwesteel Neuwesteel 646 Hektar 16b
1950 Leybuchtpolder Leybuchtpolder 1005 Hektar 17

* nicht alle Polder haben Namen, daher wird als Alternative der Hauptdeich angegeben.

** als Gesamtfläche werden (mit Einpolderungen in der Nachbargemeinde Hagermarsch) 1.000 Hektar angegeben

Übersicht der Eindeichungen ab 1425

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Weiterführende Links

Einzelnachweise

  1. Niemeyer, H. D., R. Kaiser, G. Brandt & D. Glaser (2004): Überprüfung der Tnw-Abschätzung für das Leysiel, Norderney, S. 2
  2. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 11
  3. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 255
  4. Sanders, Adolf (1999): Norden - wie es früher war, Gudensberg, S. 64
  5. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 11
  6. Rack, Eberhard (1967): Besiedlung und Siedlung des Altkreises Norden, Münster, S. 56

Siehe auch