Mennonitengemeinde Norden

Aus Norder Stadtgeschichte
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Mennonitengemeinde Norden

Basisdaten
Gründung 12. April 1780 (1556)
Auflösung -
Rechtsform Religionsgemeinschaft
Hauptsitz Am Markt 17

26506 Norden

Die Mennonitengemeinde Norden gehört zu den älteren Glaubensgemeinschaften in Norden und existiert faktisch bereits seit 1556, in ihrer heutigen Vereinigung jedoch erst seit dem 12. April 1780.

Geschichte

Im Wesentlichen stammen die ersten Mennoniten von niederländischen Glaubensflüchtlingen ab, die im Zuge der Reformation ab 1531 zunehmender Verfolgung in ihrem Heimatland ausgesetzt waren und in Norden zumindest geduldet wurden. Die ersten beiden Mennoniten lassen sich für das Jahr 1556 in Norden belegen.[1] Ihre Zahl blieb lange Zeit überschaubar, wenngleich sich der Schwerpunkt der ostfriesischen Mennoniten während der Regierungszeit von Graf Enno III. von Emden nach Norden verlagerte.[2]

Waren die Mennoniten anfangs geduldet, wurde das Klima im frühen 17. Jahrhundert zunehmend rauer. 1641 sollte ihre Religionsausübung gänzlich untersagt werden, doch 1645 entspannten sich die Feindseligkeiten etwas - wenngleich sie niemals gänzlich aufhörten. Während der Regierungszeit von Graf Enno Ludwig näherten sich die Mennoniten dem Landesherren an. Sie baten offiziell um Schutz und zahlten freiwillig eine Art Schutzgeld. 1657 schenkten sie ihm zudem als Dank den Hof Breepott in Ostermarsch.[2][3]

Wie andere Mennonitengemeinden blieb auch die in Norden von Spaltungen nicht verschont. 1647 entstand mit dem Auftreten von Uko Walles eine zweite mennonitische Gemeinde. Ihre Mitglieder nannten sich Alt-Fläminger oder auch Ukowallisten. Die bisherige Gemeinde bezeichnete sich nun als Waterländer (Niederlande). Dass dabei nicht nur die jüdische Gemeinde, sondern auch die Mennoniten immer wieder Ziel von Diskriminierung wurden, zeigen zahlreiche Beispiele. Als etwa 1660 mehrere Norder nach Upgant marschierten, um dort dem Grafen einen Empfang mit militärischen Ehren zu empfangen, waren kein Mennoniten anwesend, sodass die Menge eine Bestrafung dieser für ihren Ungehorsam forderten. Der Amtsverwalter sagte zu, die Gemeinde entsprechend zu bestrafen.[4] Erst zwischen 1698 und 1744 besserte sich die Position der Mennoniten in der Gesellschaft und wurden weitestgehend als gleichberechtigt anerkannt.[2]

Im Jahre 1719 wurden 45 Mennoniten im Einwohnerverzeichnis der Stadt geführt. Aus dem Verzeichnis geht auch hervor, dass 14 von ihnen wohlhabend und 25 mittelmäßig waren. 6 Mennoniten waren lediglich als Tagelöhner beschäftigt.[5] Am 12. April 1780, nach jahrzehntelangen Verhandlungen und mehrfachem Scheitern, vereinigten sich die beiden getrennten Gemeinden schließlich wieder zur Mennonitengemeinde Norden.[6][7]

1795/1796 kam die nachfolgend so genannte Mennonitenkirche, ursprünglich Wohnsitz der Familie Kettler, in den Besitz der Gemeinde, die es - in Ermangelung eigener Körperschaftsrechte - über den aus Neustadtgödens stammenden, gebürtigen Norder Kaufmann Doede Lübberts Cremer erwarb.[2][8] 1797 wurde die Kirche in Gebrauch genommen. Bis heute ist dieses (später erweiterte) Haus das Gemeindezentrum der Norder Mennoniten. Der Kauf des Hauses an diesem besonderen Platz wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Bestrebungen der Norder Mennoniten, die ihre Stellung in der Stadt und das Streben nach vollständiger Gleichberechtigung verdeutlichen. Alte Karten zeigen, dass die Mennoniten um den Markt herum zahlreiche Häuser besaßen und bewohnten. Dies bezeugt den Wohlstand vieler Gemeindeglieder. Die Gemeinde unterhielt auch am Markt ein Armen- oder Gasthaus, ebenso wird schon vor Mitte des 17. Jahrhunderts ein Gemeinde- oder Witwenhaus erwähnt.[6] 1811 gehörten der Gemeinde schon 174 Mitglieder an.[9]

Die Norder Pastoren kamen bis Ende des 19. Jahrhunderts fast alle aus den Niederlanden. Solange war Niederländisch die Kirchensprache in der Gemeinde. Einige wenige Daten aus der Geschichte weisen auf die theologischen Wurzeln der Mennoniten und ihre Geschichte hin. 1813 wird mit Emden und Leer über die Befreiung vom Militärdienst verhandelt. 1848 begann zusammen mit Emden und Leer der Versuch, die vollen politischen und bürgerlichen Rechte zu erlangen. 1859 wurde das Korporationsrecht angestrebt (Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts), die 1863 vom Kultusministerium Hannover gewährt wurde. Jahrzehnte später stellte sich allerdings heraus, dass das Ministerium nicht befugt war, diese Rechte zu vergeben.[6]

Ab 1875 wurden die Gemeindeprotokolle in deutscher Sprache geführt. 1877 trat die Gemeinde der Societeit der Doopsgezinde Gemeenten in der Provinz Groningen bei. 1885 wurde die Predigt zum ersten Mal in deutscher Sprache gehalten und 1954 die Gleichstellung der Frauen in der Gemeinde beschlossen, die seit den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts zur Konferenz der nordwestdeutschen Gemeinden gehört und von Emden aus betreut wird.[6]

Die heutige Gemeinde erwuchs schließlich aus einem Zusammenschluss mit der Waterländer- und der Ukowallisten-Gemeinde zur Vereinigten Mennoniten-Gemeinde.[10] Damit gehören sie neben den Norder Ludgerigemeinde und der reformierten Gemeinde zu den ältesten evangelischen Gemeinden der Stadt und neben Emden und Leer gar zu den ältesten Mennonitengemeinden in Deutschland. Zugleich ist sie mit deutlicher weniger als 50 Mitgliedern die mit Abstand kleinste christliche Gemeinde, die zudem bundesweit verstreut wohnen. Mit den Gemeinden Emden, Leer-Oldenburg und Gronau bildet sie einen Zweckverband, der für die Finanzierung des gemeinsamen Pastors Sorge trägt. Daneben hat sich inzwischen eine Mennonitische Brüdergemeinde gebildet, die die Kirche ebenfalls nutzt. Gottesdienste finden an jedem Sonntag statt, einige davon – speziell für russlanddeutsche Gemeindemitglieder – in russischer Sprache.[11]

Die Mennonitengemeinde arbeitet intensiv mit dem ökumenischen Arbeitskreis des Synagogenwegs zusammen. Die Gemeinde bezeichnet sich selbst, was ihre theologische Position angeht, als liberal und hat ihren Sitz seit 1795 in dem ehemaligen Kettler'schen Haus am südlichen Marktplatz.[10]

Gemeindemitglieder

Zu den bekanntesten Mitgliedern der Mennonitengemeinde gehörte die Familie Doornkaat. Ihr gehörten jedoch auch viele weitere, tüchtige Geschäftsleute wie beispielsweise Laurenz van Hülst, an.

Einzelnachweise

  1. Geschichte der Ludgerigemeinde Norden, abgerufen am 31. Juli 2021
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Canzler, Gerhard (2002): Doornkaat. Eine Firmenchronik, Norden, S. 135
  3. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 70
  4. Heise, Hans-Michael (1937): Die bewaffneten Ostfriesen in der Grafen- und Fürstenzeit, Aurich, S. 28
  5. Schreiber, Gretje (2017): Der Norder Hafen. Geschichte, Schifffahrt und Handel, Aurich, S. 113
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Geschichte der Mennonitengemeinde Norden, abgerufen am 14. August 2022
  7. Adressbuch von 1950/1951, S. 10
  8. Clemens, Michael (2006): Eine Gemeinschaft mit Tradition, in: Ostfriesischer Kurier vom 17. Juni 2006, S. 33
  9. Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 14
  10. 10,0 10,1 Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 81
  11. Vorstellung der Norder Mennonitengemeinde, abgerufen am 23. März 2021

Siehe auch