Reformierte Gemeinde Lütetsburg-Norden

Aus Norder Stadtgeschichte
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Reformierte Gemeinde Lütetsburg-Norden

Basisdaten
Gründung 1580[1]
Auflösung -
Rechtsform Religionsgemeinschaft
Hauptsitz Am Markt 49

26506 Norden

Die Reformierte Gemeinde Lütetsburg-Norden ist eine aus historischen Gründen zusammengewachsene Gemeinde der reformierten Christen von Lütetsburg und Norden. Nach der jüdischen Gemeinde hat sie die vermutlich bewegteste Geschichte aller Norder Religionsgemeinschaften vorzuweisen. Als ihr formeller Gründer gilt Unico Manninga.

Geschichte

Als die 1517 beginnende Reformation in den 1520er Jahren auch Ostfriesland erreicht, gelangten mit ihr Glaubenskonflikte in die Stadt, die sich über Jahrzehnte hinzogen. Obwohl Graf Enno II. noch 1528 die Glaubensfreiheit in Ostfriesland propagierte, verschärfte sich der Disput im Laufe der Zeit und fand einen ersten Höhepunkt in den Konflikten der miteinander verfeindeten Söhnen Ennos II., Edzard II. und Johann II., die jeweils der evangelisch-lutherischen bzw. evangelisch-reformierten Glaubensrichtung anhingen.

Die nach dem Tode von Enno II. vormundschaftlich für ihre Söhne regierende Gräfin Anna ermahnte 1552 die Norder Pastoren, die Einigkeit zwischen den Glaubensrichtungen zu bewahren. Dies gelang ihr nur mit mäßigem Erfolg, denn schon 1560 kam es zu einem offenen Streit zwischen Lutheranern und Reformierten, weil der nach Norden gekommene Pastor Ligarius den Gottesdienst streng nach der lutherischen Linie ausrichtete. 1560 ließ Unico Manninga die Norder Reformierten daher an dem reformierten Gottesdienst in einer Kapelle in der Vorburg von Schloss Lütetsburg teilnehmen. Die Lutheraner verspotteten dies als Lützbörg-Lopen, also nach Lütetsburg laufen. In diese Zeit fällt wohl auch die offizielle Gründung der bis dahin eher lose verbundenen Gemeinde durch Unico Manninga, die nun sowohl die Lütetsburger als auch die Norder Reformierten umfasste.

1577 wird Pastor Ligarius zum Hofprediger des der lutherischen Glaubensrichtung anhängenden Edzard II., welcher maßgeblichen Einfluss auf die Wahl Ligarius' bei der Besetzung der Pfarrstelle in Norden hatte. Hierdurch wurde die lutherische Richtung in Norden nicht unerheblich gestärkt und die reformierte weiter geschwächt. Die Reformierten wandten sich an seinen Bruder Johann II., welcher es den Norder Reformierten ab 1579 erlaubte, ihren Gottesdienst im sogenannten Gasthaus abhalten dürfen. Hierfür schickte er ihnen mit Henricus Palatinus einen eigenen Pastoren.

Pastor Ligarius bemühte sich unerwartet um eine Versöhnung zwischen den beiden Glaubensrichtungen und lud die Anführer zu einem Gespräch auf die Burg Berum ein. Eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt und der lutherische Edzard II. ließ Pastor Palatinus mit seiner Familie am 15. Dezember 1579 - neun Tage vor Weihnachten - von drei Stadtdienern auf die Straße setzen. Danach wanderten die Norder Reformierten erneut zum Gottesdienst nach Lütetsburg. Die Trennung zwischen Lutheranern und Reformierten wurde endgültig. Die andauernden Konflikte führten auch dazu, dass der ostfriesische Universalgelehrte Ubbo Emmius die Stadt 1587 in Richtung Leer verließ, da er selbst auch der reformierten Lehre nahe stand.

1606 führte Freiherr Wilhelm zu Innhausen und Knyphausen, der Schwiegersohn von Unico Manninga, eine Kirchenordnung ein. Trotz Teilnahme am Gottesdienst in Lütetsburg bestand in der Gemeinde weiterhin der Wunsch nach einer eigener Kirche in Norden oder zumindest den Gottesdienst in einem Privathaus in Norden zu erlauben, um nicht immer den besonders zu Fuße beschwerlichen Weg nach Lütetsburg in Kauf nehmen zu müssen. Die Anträge bei der Landesherrschaft wurden indes mit dem Hinweis, dass den Lutheranern in Emden dies auch nicht gewährt werden würde, abgelehnt. Die Norder Reformierten baten daraufhin die Niederländischen Generalstaaten, die großen Einfluss in Ostfriesland hatten, erfolglos um Hilfe.

Unter der von 1599 bis 1625 währenden Herrschaft von Graf Enno III., dem Sohn von Edzard II., kam es zu einer ersten Aussöhnung. Enno III. erlaubte den Reformierten, ihren Gottesdienst fortan auch in der Stadt abzuhalten und schickte ihnen den Prediger Tido Henrici. Er wies den Drosten und den Magistrat an, den reformierten Pastoren zu schützen. Die aufgebrachten Lutheraner machten es den Reformierten jedoch unmöglich, den Gottesdienst in der Stadt auszuüben. Die Reformierten bekamen nur das Recht, alle zwei Monate in einem Privathaus in der Stadt ihre Kirchenangelegenheiten zu beraten und das Abendmahl nach ihrer Weise zu feiern. Spätestens ab 1641 diente das später so genannte Haus Vienna als Ort des Gottesdienstes.[2]

1677 stellte Dodo II. der Gemeinde daraufhin den sogenannten Olyschlag für ihren Gottesdienst zur Verfügung. Zwei Jahre später schenkte er ihnen dort sogar ein Stück Land zum Bau einer Kirche. Die Norder Reformierten erhielten überdies ein Mitbestimmungsrecht bei der Wahl des Pastoren, der bisher vom Lütetsburger Grafen allein bestimmt wurde. Der Bau der Bargeburer Kirche gestaltete sich indes schwierig, da fanatische Norder Bürger den Bau aufgrund seiner Nähe zu Stadtgrenze zu sabotieren versuchten. Dodo II. bat daraufhin den zu dieser Zeit Greetsiel besetzt haltenden Großen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, um Hilfe. Dodo II. war seinerzeit dessen Hofkammerpräsident (eine Art Finanzminister) und auch Friedrich Wilhelm stand der reformatorischen Glaubensrichtung nahe. Der Bau konnte daraufhin fortgesetzt und im Herbst 1684 fertiggestellt werden. Am 9. November 1684 konnte schließlich der erste Gottesdienst gefeiert werden. Zehn Jahre später erhält die Gemeinde das Haus Monsieur als neues Pfarrhaus zum Geschenk vom bisherigen Eigentümer.[3]

1811 gehörten der Gemeinde bereits wieder 206 Mitglieder an.[4] In den Folgejahren wuchs sie stetig wieder, sodass sie im Jahr 1905 die von der Herrnhuter Brüdergemeine zwischen 1875 und 1876 erbaute Kapelle an der Westseite des Marktplatzes erwarb. Diese wurde am 2. August 1970 abgerissen und durch den heutigen Nachfolgebau ersetzt. Der Bau dient der reformierten Gemeinde bis heute als Gemeindehaus. Das reformierte Armenhaus befand sich bis zur Altstadtsanierung hinter der Ackerbauschule (heute Standesamt). Für die Finanzierung ihrer Armenfürsorge verpachtete die Gemeinde 23 Diemat Land in Ostermarsch, die vom Hof Knakenbörg bewirtschaftet wurden und bis heute als Kirchenland bezeichnet werden. Auch dieses Land entstammt wohl einer Schenkung.

Einzelnachweise

  1. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 37
  2. Schreiber, Gretje (2020): Die Bewohner des Bürgerhauses in Norden. Haus der Bürgerstiftung Norden, Norden, S. 12
  3. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 71
  4. Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 14

Quellenverzeichnis

Siehe auch