Schöninghsches Haus

Aus Norder Stadtgeschichte
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Schöninghsches Haus

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Basisdaten
Entstehungszeit 1576
Erbauer Egbert Crayers
Bauweise Patrizierhaus
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Osterstraße 5

26506 Norden

Das Schöninghsche Haus ist eines der historisch bedeutsamsten Bauwerke in Norden. Es befindet sich im innerstädtischen Teil der Osterstraße. Benannt ist es nach einem ehemaligen Besitzer, dem wohlhabenden Norder Kaufmann Peter Wilhelm Schöningh.

Insbesondere auch vor dem Hintergrund der nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt Emden während des Zweiten Weltkriegs gilt das Schöninghsche Haus bis heute als der bedeutendste Vertreter unter den an niederländischen Vorbildern orientierten Patrizierhäusern der Renaissance in Ostfriesland.[1] Nicht zuletzt deshalb ist es ein beliebtes Fotomotiv und wird im Allgemeinen als das schönste Haus der Stadt Norden angesehen.

Geschichte

Bürgerhäuser der niederländischen Renaissance in Antwerpen (Belgien).

Das Gebäude wurde 1576 von Egbert Crayers, einem wohlhabenden Norder Kaufmann, im Stil der Renaissance errichtet. Dieser hatte den Vorgängerbau im Jahre 1554 erworben und im genannten Jahr neu im Stile der Renaissance errichten lassen. Zu dieser Zeit trug das Grundstück die Anschrift Osterkluft, 1. Rott, Nr. 13. Von Crayers ging das Gebäude um 1600 an den Geldverleiher Johan Bitter und 1677 an Heino Sassen, dessen Familie noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts im Besitz des Gebäudes war.[2] Anfang des 18. Jahrhunderts wohnte hier Bürgermeister Sassen, später dessen Schwester, die das Haus um 1750 an einen Bäcker namens R. C. Janssen verkaufte. Über seine Tochter kommt das Haus an den Ratsherrn A. J. Speer. Im Besitz dieser Familie blieb es schließlich bis 1863.[3] Der nächste Eigentümer ist bislang unbekannt.

Peter Wilhelm Schöningh, von dem das Gebäude seinen Namen hat, erwarb das Haus im Jahre 1869 für 3.000 Taler.[3][4] Fortan war es beinahe 100 Jahre im Besitz seiner Familie.[4] Mit Beschluss vom Frühjahr 1962 verfügte das Norder Bauamt 1963 den Abriss des Gebäudes, da das Mauerwerk starke Beschädigungen aufwies. Denkmalschutz spielte zu dieser Zeit leider noch keine Rolle.[5][6] Als Ursache für den Schaden am Mauerwerk wird das künstliche Absinken des Grundwasserspiegels sowie der verstärkte Kraftfahrzeugverkehr gesehen.[6] Die Absenkung des Grundwasserspiegels sollte der Verbesserung der Bearbeitbarkeit des Ackerbodens und der Gewinnung von Ackerland durch Maßnahmen der Melioration dienen. Dabei wurde das Wasser durch ein Netz von Drainageleitungen und Gräben dauerhaft abgesenkt. Insbesondere in den Marschgebieten waren viele Böden wegen des hohen Wasserspiegels bis dahin unpassierbar.

Vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg wurde daraufhin erfolgreich Klage gegen den Abriss eingereicht. Die Verfügung wurde vom Gericht aufgehoben, doch das Gebäude blieb weiterhin in einem desaströsen Zustand. Nun intervenierte Wilhelm Edzard Fürst zu Innhausen und Knyphausen (1908-1978) aus Lütetsburg und erwarb das Gebäude, um es dem Zugriff anderer, möglicherweise abrisswilliger Investoren zu entziehen. Kurze Zeit später verkaufte er es dann Rechtsanwalt Veit Wucherpfennig, der mit der Familie Schöningh verwandt war.[7] Wucherpfennig bewahrte das Gebäude durch umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen vor dem Verfall und kann damit zu Recht als Retter eines der historisch wertvollsten Gebäude der Stadt betrachtet werden.[5][6]

2021 erwarb der vor allem in Ostfriesland geschäftlich tätige Immobilienbesitzer Günther Held das Schönighsche Haus, welcher es abermals umfangreich renovierte.[8] Auch zukünftig wird es gastronomischen und wohnlichen Zwecken dienen.

Beschreibung

Das Schöninghsche Haus ist ein reich dekorierter Renaissancebau mit Stufengiebel. Der dreigeschossige Ziegelbau weist an seiner ganz in Fenstern aufgelösten Giebelwand die typisch niederländischen Specklagen auf.[9] Die Fassade setzt sich abwechselnd aus Backstein- und hell gestrichenen Schichten aus Kalkstein zusammen.[1] Die Fenster sind sogenannte Kreuzstockfenster mit sandsteinerner Muschelbekrönung. Oben an den Seiten des Giebels befinden sich ornamental wirkende, stark bewegte figürliche Darstellungen aus Sandstein, welche drei der zwölf Taten des Herkules symbolisieren.[6][9][10] Diese wurden als Strandgut auf Juist gefunden und nach Norden verkauft.[11]

Ursprünglich wies das Gebäude im oberen Stock 14 Wappenfenster auf, von denen beim Erwerb des Gebäudes durch die Familie Schöningh nur noch eines vorhanden war, das ein Rosenwappen zeigte. Dieses Fenster wurde bei der großen Explosion im Vertriebenenlager Tidofeld im Sommer 1945 zerstört.[12] Möglicherweise wurde es dort verwahrt, um es vor Plünderungen in der Nachkriegszeit zu bewahren oder ist aus anderen, nicht näher nachvollziehbaren Gründen dorthin verbracht worden.

In der Zeit um 1754 befanden sich im Erdgeschoss neben einem Vorhaus eine Schlafkammer, eine große Küche, eine Stube und eine weitere, kleinere Küche. Alle Räumen waren mit einer offenen Feuerstelle ausgestattet, um diese angemessen beheizen zu können. Im ersten Geschoss befanden sich vier weitere Räume (Stuben), im obersten Geschoss schließlich ein Lagerraum. Der Dachboden, der sich über das gesamte Gebäude erstreckte, diente ebenfalls zur Lagerung. Daneben gab es noch zwei Keller, in der ebenfalls Waren gekühlt gelagert werden konnten. Im rückwärtigen Bereich des Gebäudes befanden sich zu dieser Zeit eine Scheune und ein Waschhaus.[2] Die Selbstverpflegung war seinerzeit auch für wohlhabendere Familien nicht ungewöhnlich und verbreitet, so etwa auch beim Kettler'schen Haus.

Im Laufe der Jahrzehnte befanden sich im Erdgeschoss mehrere Restaurants, zuletzt das Restaurant Vesuvio. Die weiteren Geschosse werden für Wohnzwecke genutzt.

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Kiesow, Gottfried (2010): Architekturführer Ostfriesland, Bonn, S. 275
  2. 2,0 2,1 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 78
  3. 3,0 3,1 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 79
  4. 4,0 4,1 Beschreibung des Schöninghschen Hauses auf Ostfriesland.de, abgerufen am 22. April 2021
  5. 5,0 5,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 80
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Pühl, Eberhard (2007): Alte Backsteinhäuser in Ostfriesland und im Jeverland, Oldenburg, S. 169
  7. Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 41
  8. Bericht der Nordwest-Zeitung vom 16. Dezember 2021, abgerufen am 16. Dezember 2021
  9. 9,0 9,1 Dehio, Georg (1992): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, München, S. 993
  10. Haddinga, Johann / Stromann, Martin (2001): Norden/Norddeich - Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor, Norden, S. 80
  11. Brückner, Annemarie / Gerdes, Edo (1984): So war es damals. Bilder aus dem alten Norden, Leer, S. 72
  12. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 97

Siehe auch