Synagoge

Aus Norder Stadtgeschichte
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Synagoge

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Basisdaten
Entstehungszeit 1804
Erbauer Jüdische Gemeinde Norden
Bauweise Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand 1938 niedergebrannt
Genaue Lage Synagogenweg 1

26506 Norden

Nicht zeitgenössische Zeichnung der Synagoge.

Die jüdische Synagoge befand sich seit 1804 am Synagogenweg in der Norder Innenstadt. Sie wurde während der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesetzt und infolge dessen zerstört. Seit 1987 erinnert eine Gedenk- und Mahnstätte an die Geschehnisse und die Verfolgung der Norder Juden. Diese steht unter Denkmalschutz.[1]

Geschichte

Schon 1679 erwarb die jüdische Gemeinde ein Gebäude am Neuen Weg 110, das sie als Synagoge, Schule und Wohnhaus nutzten. Dieses Gebäude wurde bis 1804 als Gebetsstätte genutzt, 1903 neu errichtet erbaut und um eine Lehrerwohnung im Obergeschoss erweitert, in dem der Lehrer der 1871 errichteten, unmittelbar anliegenden jüdischen Schule wohnte.[2]

1804 erbauten sie in der unmittelbar anliegenden Judenlohne, dem heutigen Synagogenweg, eine neue Synagoge, die im Dezember des Jahres eingeweiht wurde.[3][4] Das Grundstück gehörte bis dahin zum Neuen Weg 109 und wurde von der Gemeinde vom Mitglied Jacob Joseph Bargerbuhr erworben.[5] Möglicherweise gab es auch schon vor 1679 einen jüdischen Gebetsraum im Stadtgebiet, doch ist über deren Ursprung - ebenso wenig wie über den Zeitpunkt der Ansiedlung der ersten Juden in Norden - nichts näher bekannt.

Für den Bau der Synagoge bewilligte König Friedrich Wilhelm III. von Preußen 100 Reichstaler als Zuschuss. Den Rest der Bausumme finanzierten Gemeindemitglieder und nicht-jüdische Spender aus Aurich, Emden und Greetsiel.[6] 1891 folgte der Neubau eines neuen Gebäudes für den Vorsänger der Gemeinde, in dem sich auch ein Frauenbad befand und Holz zum Bauen von Särgen sowie die Totenbahren gelagert wurden. Diesem Bau ging ein älterer Bau voran, über den jedoch nichts näher bekannt ist.[3] Im selben Jahr wurde auch das Wohnhaus des Lehrers gebaut.[7] Hier wohnte später die bekannte jüdische Widerstandskämpferin Recha Freier mit ihrer Familie.

In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge von den Nationalsozialisten unter der Führung des NSDAP-Kreisleiters Lenhard Everwien niedergebrannt. Dieser hatte das dafür verwendete Benzin zuvor eigens mit zwei weiteren Parteimitgliedern bei einer Norder Tankstelle besorgt. Die bereits vorab alarmierte Norder Feuerwehr wurde ausdrücklich angewiesen, ihre Maßnahmen lediglich darauf zu beschränken, ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Gebäude zu verhindern.[8] Groteskerweise hatte die Feuerwehr absprachegemäß schon vor dem Brand damit begonnen, Schlauchleitungen zu verlegen, um die Brandausbreitung zu verhindern.[9]

Tatsächlich sah es der Befehl der NS-Führung vor, dass die Synagogen nur dann zu brennen hätten, wenn keine Brandgefahr für andere Gebäude bestünde. Dies ignorierte Everwien oder war zumindest mit zu wenig Weitsicht oder Intelligenz gesegnet, sodass die dichtbebaute Innenstadt praktisch nur knapp einer verheerenden Brandkatastrophe entkam.[9] Zwischen der Synagoge und dem benachbarten Gebäude Neuer Weg 108 befanden sich gerade einmal zwei Meter.

Die Überbleibsel der Synagoge wurden nach dem Brand einem Norder Altwarenhändler zur Beseitigung und Wiederverwertung der Überreste übergeben.[6] Nach dem Krieg wurde der Bereich rund um die Synagoge mit Garagen überbaut und die Brandstiftung durch die Staatsanwaltschaft Aurich untersucht.[10][11] Der Prozess um die Geschehnisse wurde 1951 im Deutschen Haus geführt.

Erste Pläne zum Bau einer Gedenkstätte gab es bereits seit März 1947, doch wurden diese aus unerfindlichen Gründen niemals umgesetzt. 1983 erwarb die Stadt das Grundstück der alten Synagoge und ließ die dortigen Garagen bis 1985 abreißen.[12] Im März 1985 beauftragte die Stadt erste Probebohrungen, um die Ausmaße der alten Synagoge zu bestimmen und das alte Fundament zu finden.[13] Bereits im September 1985 wurde die Überreste der alten Grundmauer freigelegt. Der Ökumenische Arbeitskreis Synagogenweg Norden e.V. gründete sich noch im selben Jahr und bemühte sich um eine zügige Umsetzung des Vorhabens. Die Gedenkstätte, in deren Zentrum ein Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge steht, wurde schließlich während der Woche der Begegnung (vom 16. bis 21. August 1987) in Anwesenheit ehemaliger Norder Juden und deren Angehörigen am 18. August eingeweiht.[10][14]

Der Vorstand der jüdischen Gemeinde, aufgenommen im Eingangsbereich der Synagoge (1926).

Dort, wo heute der Gedenkstein steht, befand sich bis zum Brand der Synagoge der Thoraschrein.[15]

Die weiteren Gebäude des ehemaligen jüdischen Gemeindezentrums, wie die Jüdische Schule und des Vorsängers Haus sind weitgehend erhalten. Damit ist das Ensemble einzigartig in Ostfriesland.

Beschreibung

In ihrem Aussehen war die Synagoge der Bargeburer Kirche sehr ähnlich. Wie diese war sie ein schlichter Bau aus Backstein mit hohen Bogenfenstern und einem Walmdach. Über dem Eingangsportal befand sich die Inschrift: "Betretet seine Tore mit Dank, seine Vorhöfe mit Lobgesang (Ps 100,4 EU)". In der Mitte wurde das Baujahr 1804 gezeigt. Darüber befand sich eine Erinnerungstafel mit den Namen der Vorsitzenden der Gemeinde sowie die Worte: "Lasse Dein Angesicht auf Dein Heiligtum leuchten (Daniel 9,17 EU)".[6]

Die Einrichtung der Synagoge folgte dem traditionellen sephardischen Stil. An der Ostseite des Gebäudes befand sich der Thoraschrein. Im Zentrum des Gebäudes stand der Almemor, ein Pult, auf das die Tora bei der Lesung gelegt wird. Die Bänke für die Männer standen in Längsrichtung an den Seitenwänden. Zu den weiteren Ausstattungsgegenständen gehörten große Kronleuchter aus Messing, wie man sie auch in vielen Kirchen der Region findet.[10]

Einzelnachweise

  1. Liste der Baudenkmale in Norden, abgerufen am 12. November 2021
  2. Ein Rundgang durch Norden, abgerufen am 25. März 2021
  3. 3,0 3,1 Schreiber, Gretje (2006): Norder Häuser (XIX). Die Bewohner des Neuen Weges, in: Ostfriesischer Kurier, 17./18. August 2006, S. 12
  4. Ökumenischer Arbeitskreis (2021): Kleiner Rundgang durch Norden, Norden, S. 24
  5. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 64
  6. 6,0 6,1 6,2 Fraenkel, Daniel (2005): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen. Wallstein, Göttingen, S. 1122–1139
  7. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 86
  8. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 304
  9. 9,0 9,1 Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 303f.
  10. 10,0 10,1 10,2 Alemannia Judaica, Beschreibung der Synagoge, abgerufen am 25. März 2021
  11. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 166
  12. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 399
  13. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 400
  14. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 404
  15. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 403

Siehe auch