Zweiter Weltkrieg

Aus Norder Stadtgeschichte
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Zeitgenössisches Propagandaplakat, das die Bewohner zum Verdunkeln ihrer Häuser auffordert.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt Norden relativ glimpflich, insbesondere im Hinblick auf die fast vollständige Vernichtung Emdens durch alliierte Luftangriffe. Zwar wurde auch Norden vereinzelt Ziel von Bombardements, da die Stadt den Alliierten jedoch nicht als kriegswichtig galt und keine Rüstungsindustrie oder bedeutende Militärgelände besaß, waren Luftangriffe die Ausnahme und dienten vor allem der psychologischen Kriegsführung durch Terrorisierung der Bevölkerung. Vereinzelt wurde Norden auch nur bombardiert, da die Flieger ihre eigentlichen Ziele nicht fanden und ihre Bombenlast vor dem Rückflug nach Großbritannien anderweitig loswerden mussten.[1] Diese Bombenabwürfe wurden euphemistisch als Notabwürfe bezeichnet. Es war besser, irgendein Ziel zu treffen als gar keines und mit der gefährlichen Fracht die Heimreise anzutreten.

Bereits am 31. August 1939, einen Tag vor Kriegsbeginn, wurde eine erste Luftschutzübung im Stadtgebiet abgehalten. Am 1. September bot die Firma Otto G. Soltau dann erstmals Verdunkelungspapier an, das den Lichtschein von Fenstern dimmen sollte, um feindlichen Bombern nicht bei der Zielfindung zu helfen.[2]

Zur Abwehr der bzw. zum Schutz bei Luftangriffen wurden eine Vielzahl an Flakstellungen und Bunker im Stadtgebiet errichtet. Beim Einsatz an der sogenannten Heimatflak kommen unzählige Norder Schüler zum Einsatz, die nach heutiger Definition als Kindersoldaten gelten würden. Hunderte Söhne und Töchter der Stadt kommen zudem an allen Kriegsschauplätzen ums Leben oder geraten in Kriegsgefangenschaft, aus dem die meisten entweder nicht oder nur als gebrochene Menschen zurückkehrten.

Verlauf

Soweit nicht anders angegeben beziehen sich die folgenden Angaben des Kriegsverlaufs auf das Kriegstagebuch des Leiters des Hauptzollamtes in Emden, der dieses für die Region geführt hat.[3]

1. September 1939:

Während noch der Einmarsch der Wehrmacht in das entmilitarisierte Rheinland sowie der Anschluss Österreichs und Tschechiens bejubelt wurde, löst der kriegerische Akt gegen Polen teilweise Entsetzen, teilweise Gleichgültigkeit und nur vereinzelt Jubeln in der Bevölkerung aus.[4]

3. September 1939:

Auch die Kriegserklärung Großbritanniens und Frankreichs löst zunächst keine Unruhe in der Bevölkerung aus. Vielmehr ist man der Ansicht, dass das Reich stark genug sei, um den Krieg zu gewinnen. Eine Kriegsbegeisterung ist jedoch auch weiterhin nicht zu vernehmen.[4]

Deutsche Offiziere im Marinelager Tidofeld.

5. September 1939:

Der erste Fliegeralarm ertönt in Norden und weiteren Küstenorten, als britische Bomber einen Angriff auf Wilhelmshaven und Cuxhaven versuchen. Die einzige Motorsirene befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Dach eines der Gebäude der Firma Doornkaat, sodass die zweite bald von Onno Behrends gestiftet und auf dem Landratsamt installiert wird.[5]

Ab Oktober 1939:

Rettungsstelle (Lazarett) in der Gräfin-Theda-Schule (1939).

An allen kriegswichtigen Anlagen der Umgebung, etwa beim Sender Osterloog oder bei Norddeich Radio werden Flakstellungen errichtet.[6] Es kommt zu ersten Luftangriffen von britischen Bombern, die unter starkes Kreuzfeuer der Flakstellungen bei Osterloog und auf Norderney genommen werden.[7]

16. September 1940:

Im Bezirk Norden werden einige Bomben geworfen, es entsteht nur ein geringer Sachschaden.

9. Oktober 1940:

Eine Fliegerbombe wird über der Osterstraße abgeworfen. Eine weitere beschädigt die Bahnstrecke zwischen Norden und Hinte, sodass der Zugverkehr zeitweise zum Erliegen kommt.[3]

16. November 1940:

In Norden fallen zwei Sprengbomben. Es kommt zu einigen Häuserschaden, u.a. in der Brauhausstraße.[8]

Bombeneinschlag beim Gasthof Hinrichs.

17. Januar 1941:

In Norden werden einige Häuser durch Sprengbomben zerstört. Es gibt drei Tote und mehrere Verletzte. Die Bomben werden von einem angeschossenen Flugzeug über der Sielstraße abgeworfen. Der Gasthof Hinrichs wird völlig zerstört, in den Ruinen des ebenfalls beschädigten Nachbarhauses der Familie Heinks wird der Leichnam eines 14 Monate jungen Mädchens geborgen.[9][10]

1. November 1941:

In der Westermarsch fallen 50 bis 60 Bomben, ein Bauernhaus wird eingeäschert.

15. November 1941:

Gegen 21:00 Uhr fallen 300 bis 350 Meter von der Osterlooger Schule entfernt Sprengbomben, die tiefe Krater verursachen. Die Luftwaffe fliegt mit mehreren Jagdflugzeugen Angriffe auf die US-amerikanischen Bomber, die wohl den Sender Osterloog im Visier hatten.[7]

6. November 1942:

In der Alleestraße schlagen vier Bomben ein.[5] Es gibt fünf Tote und mehrere Verletzte. Vier Häuser werden vernichtet, viele weitere beschädigt. In der näheren Umgebung gibt es auch Beschuss durch Bordwaffen.[11]

15. Januar 1943:

Volkssturm-Männer werden auf dem Marktplatz vereidigt (Oktober 1944).

Ein feindliches Flugzeug greift die Stadt an und wirft vier Bomben in mittelbarer Nähe zum Doornkaatgelände, eine Bombe landet im Garten des Hoppeschen Hauses am Neuen Weg.[11] Es entsteht ein erheblicher Häuserschaden. Ein Toter und mehrere Verletzte sind zu beklagen.

21. April 1944:

Am 21. April 1944 werden fast alle noch anwesenden Männer aus der Lintelermarsch und der Ostermarsch zum Kriegsdienst berufen. Der älteste von ihnen ist bereits 66 Jahre alt. Sie alle kommen bei der Heimatflak bei Osterloog zum Einsatz. Die Grundausbildung am Geschütz und am Scheinwerfer dauert 17 Tage und wird täglich von 14:00 bis 20:00 Uhr durchgeführt.[7]

Aufruf der britischen Militärregierung am Tage des Inkrafttretens der deutschen Kapitulation (8. Mai 1945).

18. September 1944:

Zur Nachtzeit erfolgen bei Norden, bei Marienhafe und Siegelsum Überfälle durch Tiefflieger mit Bordwaffen und Brandbomben auf Militärlastkraftzüge. Mehrere Fahrzeuge brennen aus, es gibt mehrere Tote.

11. August 1944:

Britische Tiefflieger beschießen einen bei Osteel fahrenden Zug. Der Lokführer Lübben aus Norden kommt dabei ums Leben.

30. September 1944:

Am Abend erfolgt ein Angriff feindlicher Tiefflieger mit Bordwaffen auf Norden.

6. April 1945:

Die Bombenabwürfe in Norden und der Umgebung werden seltener; dagegen kommt es immer wieder zu Tieffliegern, die die Bevölkerung terrorisieren, obwohl der Krieg längst verloren ist. Viele Einwohner verlassen Emden. Eisenbahnen und Landstraßen sind nur noch zur Nachtzeit benutzbar. Besonders in der Endphase des Krieges kommt es zu zahlreichen Kriegsverbrechen durch die britische Luftwaffe. Vor allem durch den Beschuss der auf das Land ausweichenden Zivilisten sind viele weitere Todesopfer zu beklagen. Längs der Landstraße nach Norden und Aurich liegen unzählige zerschossene Fahrzeuge. Noch am selben Tag schließt das Finanzamt Aurich seinen Dienstbetrieb.

20. April 1945:

NSDAP-Kreisleiter Lenhard Everwien hält seine vorletzte Rede im Deutschen Haus, in dem er die Zuhörer des vollbesetzten Saals auf Adolf Hitler (der an diesem Tag Geburtstag hat) und auf einen Kampf bis zum Tode einschwört. Zu diesem Zeitpunkt stehen die alliierten Streitkräfte bereits vor Leer.[12]

23. April 1945:

Erneut fallen Bomben auf Norden und auch auf Aurich. Ein Tiefflieger greift zudem eine Wohnsiedlung in Süderneuland I an, wodurch fünf Zivilisten ums Leben kommen.[13]

2. Mai 1945:

Lenhard Everwien hält seine letzte Rede im Kreis der politischen Leiter der Region. Zwei Tage zuvor beging Hitler Selbstmord im Führerbunker, die Zeitungen titulieren jedoch, dass er einen Heldentod gestorben sei.

6. Mai 1945:

Zunächst erreichen kanadische Truppen aus Richtung Georgsheil kommend die Stadt, später kommen britische hinzu. Sie nehmen Norden kampflos ein, nachdem entsprechende Verhandlungen mit den Allierten erfolgreich waren und Norder Bürger bereits am 4. Mai energisch bei den örtlichen Parteiführern und dem Bürgermeister vorsprachen.[14] Fortan übernimmt die britische Militärregierung die Macht. Der Krieg ist damit in Norden zu Ende. Insgesamt kamen über 2.000 Norder, vornehmlich junge Männer, während des Krieges ums Leben.[15]

Lebensmittelrationierung

Schon am 28. August 1939 kündigte der Ostfriesische Kurier die Rationierung von Lebensmitteln und die Einführung entsprechender Bezugsscheine (Lebensmittelkarten) an. Bereits am gleichen Tag erfolgte die Ausgabe dieser Bezugsscheine in den Räumlichkeiten der Mennonitenkirche. Jedem Bewohner stand somit folgende Ration pro Kopf zu:

  • 0,2 Liter Milch pro Tag
  • 700 Gramm Fleisch pro Woche
  • 60 Gramm Milcherzeugnisse, Öle und Fette pro Woche
  • 28 Gramm Zucker pro Woche
  • 110 Gramm Marmelade pro Woche
  • 150 Gramm Graupen oder Grütze pro Woche
  • 62,5 Gramm Kaffee oder Kaffe-Ersatz pro Woche
  • 20 Gramm Tee pro Monat

Die Ausgabe von Tee beschränkte sich später auf Personen über 35 Jahren.[2]

Einzelnachweise

  1. Canzler, Gerhard (1989): Norden. Handel und Wandel, Norden, S. 242
  2. 2,0 2,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 73
  3. 3,0 3,1 Beschreibung von Norden in der historischen Ortsdatenbank der Ostfriesischen Landschaft
  4. 4,0 4,1 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 65
  5. 5,0 5,1 Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 38
  6. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 65
  7. 7,0 7,1 7,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 66
  8. Medienzentrum des Landkreises Aurich (Bildarchiv: 0164027.jpg)
  9. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 39
  10. Haddinga, Johann (1995): Kriegsalltag in Ostfriesland, Norden, S. 69
  11. 11,0 11,1 Canzler, Gerhard (1994): Norden. Museen im Alten Rathaus, Norden, S. 74
  12. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. 1944–1948. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 54
  13. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 54
  14. Haddinga, Johann (2001): Norden im 20. Jahrhundert, Norden, S. 43
  15. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 72

Siehe auch