Ludgerusgemeinde Norden

Aus Norder Stadtgeschichte
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Katholische Kirchengemeinde St. Ludgerus

Basisdaten
Gründung 8. oder 9. Jahrhundert
Auflösung -
Rechtsform Kirchengemeinde
Hauptsitz Osterstraße 21

26506 Norden

Die Katholische Kirchengemeinde St. Ludgerus ist die katholische Kirchengemeinde in Norden. Naturgemäß ist sie zugleich die älteste der Stadt, wenngleich ihre genauen Ursprünge unklar sind und sie - bedingt durch die Reformation - über viele Jahre faktisch nicht existierte.

Geschichte

Anfänge

Die Gründung einer katholischen Gemeinde geht in die Zeit der christlichen Missionierung im 8. oder 9. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit war die christliche Gemeinde noch einheitlich katholisch, erst später entstanden weitere Glaubensrichtungen wie das evangelisch-lutherische, das baptistische oder das neuapostolische.

Kirchlich gehörte die Region um Norden im frühen Mittelalter zunächst zum Bistum Münster. Das Patrozinium der wohl jüngeren der beiden mittelalterlichen Norder Kirchen scheint an diese Tradition anzuknüpfen: Der friesische Missionar Liudger war der erste Bischof von Münster (805–809), nach ihm sind sowohl die Ludgerikirche als auch die Ludgeruskirche benannt. Im hohen Mittelalter zählte das Gebiet indes bereits zum Bistum Bremen.[1]

1527 bis 1716

Nachdem sich die Reformation ab 1527 in Norden immer mehr durchsetzte und auch Graf Enno II. als Landesherr den neuen Glauben als Religion annahm, waren die Katholiken gezwungen, zu konvertieren oder ihren Glauben im Untergrund auszuüben. Das öffentliche, katholische Gemeindeleben kam nunmehr gut 100 Jahre faktisch vollständig zu erliegen, bis es im Zuge des 30-jährigen Krieges (1618-1648), der auch als Gegenreformation verstanden werden kann, zu einer teilweisen Renaissance des Katholizismusses kam. In Norden gab es im Jahre 1632 nur noch eine geringe ein bis zweistellige Zahl an Katholiken, in ganz Ostfriesland noch etwa 400. Diese feierten ihre Gottesdienste im Verborgenen, unterstützt durch umherziehende Pfarrer, die die Gläubigen in ihren Häusern besuchten, um mit ihnen den Gottesdienst zu feiern. Dies änderte sich erstmalig, als Dodo II. zu Innhausen und Knyphausen, Herr von Lütetsburg, die strenggläubige, katholische Hedwig Oriana von Frydag zu Gödens heiratete. Obgleich Dodo II. ebenfalls evangelisch war, störte dies die Beziehung zwischen den beiden nicht. Sie vereinbarten in ihrem Ehevertrag, dass sie beide ihre Religion ausüben dürfen. Hedwig ermöglichte nun auch den verbliebenen Katholiken, ihren Gottesdienst auf Schloss Lütetsburg zu feiern. Ein Privileg, das später auch den Evangelisch-reformierten Christen zuteil wurde, nachdem diese durch die Lutheraner aus Norden vertrieben wurden.

Als Hedwig am 5. Dezember 1694 unverhofft starb, war das weitere Schicksal der katholischen Gemeinde erneut ungewiss. Dodo II., der sich zu diesem Zeitpunkt am Hofe des brandenburg-preußischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in Berlin aufhielt, dessen Hofkämmerer (Finanzminister) er war, verfügte, dass der katholische Priester Franciscus Grönincks sein Schloss zu verlassen habe. Auch verbot er den Katholiken, ihre Gottesdienste dort weiterhin zu feiern. Grönincks konnte dennoch auf große Erfolge zurückblicken. Die katholische Gemeinde des Umlands war von 30 auf über 300 Mitglieder angewachsen. Trotz Verbots von Dodo II. kehrte er immer wieder heimlich nach Lütetsburg zurück, um hier im Hause eines Herrn von oder van Schwetering Gottesdienste zu feiern. Dass er dies unbehelligt tun durfte, lag wohl an der häufigen Abwesenheit von Dodo II., der sich viele Jahre seines Lebens am Hofe in Berlin aufhielt.

Auf Drängen der Familie der verstorbenen Hedwig und dank einflussreicher Vertreter der kaiserlichen Truppen, die seinerzeit in Leer stationiert waren, konnte unter dem Nachfolger von Dodo II., Ferdinand von Knyphausen, vereinbart werden, dass nun auch offiziell ein katholischer Gottesdienst im Hause des Herrn v. Schwietering abgehalten werden durfte. Das Haus befand sich in der Nähe der späteren Gelben Schule in Lütetsburg. Weiterer Bestandteil der Vereinbarung war, dass die Katholiken turnusmäßßig zwei Monate lang einen Gottesdienst feiern durften und dann einen Monat pausieren mussten. Die Gottesdienste wurden bis zu seinem Tode am 2. September 1715 fortwährend von Franciscus Grönincks geleitet. In seiner Amtszeit konnte er 40 Konvertierungen, 90 Taufen und 70 Eheschließungen vollziehen.

Graf Ferdinand versuchte, den Nachfolger Grönincks, Werner Schmitz, die Gottesdiensterlaubnis zu verweigern, doch kam es zu erneuten Absprachen zwischen den Parteien und der Gottesdienst durfte, wie bereits zuvor vereinbart, weiterhin ausgeübt werden. Eine zusätzliche Einschränkung war jedoch, dass die Gemeinde alle drei Jahre eine erneute Erlaubnis beantragen musste.

1717 bis 1913

Ins Amt des Priesters folgte Michael Klümper, der von 1717 bis 1727 amtierte. Auch er hielt die Gottesdienste im Schweteringschen Hause in Lütetsburg ab, doch die Weihnachtsflut 1717 verhinderte, dass die Gläubigen zu ihm kommen konnten. Das Wasser überflutete weite Teile von Norden und Lütetsburg und schnitt beide Orte voneinander ab. Das als Gotteshaus genutzte Wohnhaus wurde ebenfalls durch die Fluten zerstört. So saß Klümper mehrere Tage in Lütetsburg fest, stets in der Hoffnung, es werde jemand mit dem Schiff kommen, um ihn zu holen.

Erlaubnis zum Abhalten des Gottesdienstes von 1777.

Nach dem Rückgang der Fluten ging Klümper nach Norden und richtete ein Gesuch an den Norder Magistrat, zu dieser Zeit besetzt durch Dr. Johann Laurenz Palms und Engelbert Kettler, sowie an den Stadtrat. Klümper konnte erreichen, dass ihm am 3. Mai 1718 eine vorläufige Erlaubnis zum Abhalten eines ungestörten Gottesdienstes im Hause des Ratsherren und späteren Bürgermeisters Ludovicus Wenckebach in der Großen Neustraße 1.[2] Diese Erlaubnis würde mehrere Male um jeweils drei Jahre verlängert. Noch mindestens am 1. Oktober 1777 wurde die Erlaubnis planmäßig verlängert.

Um auch die Gemeinde Lütetsburg nicht vollends zu verlieren, plante Klümper den Bau einer kleinen Kapelle in Lütetsburg, die bis in die 1790er Jahre existierte. In Norden gelang es ihm dank Unterstützung des Bischofs von Münster, Spenden und guter Beziehungen zu niederländischen Katholiken, in der Sielstraße 364 (später Nr. 55/56) ein Grundstück mit Haus zu erwerben. Dieses baute er zu einer Missionsstation um. Norden hatte damit erstmals seit gut 200 Jahren wieder ein eigenes, katholisches Gotteshaus.

Nach dem Tode Klümpers folgten ihm zahlreiche weitere Personen ins Amt, von denen erst Martinianus Schulte besonders hervortrat. Schulte war von 1777 bis 1795 im Amt. Er benannte die Missionsstation, wohl auch in Gedenken an Michael Klümper, nach dem Erzengel Michael auf den Namen St. Michael. Bei Friedrich dem Großen (Ostfriesland war seit 1744 preußisch) konnte Schulte erreichen, dass die von ihm gewährte, allgemeine Religionsfreiheit auch für Norden galt. Das Recht wurde 1779 schließlich auch gewährt, in der Praxis jedoch stark durch ältere, noch gültige, ostfriesische Verträge wieder eingeengt wurde.

Während der französischen Besatzungszeit (1810-1815) wird die Missionsstation (Paterei) zur selbstständigen Pfarre erklärt. Zu diesem Zeitpunkt (1811) hat die Gemeinde 55 Mitglieder.[3]

Am 28. September 1824 (Ostfriesland gehört seit 1815 zum Königreich Hannover) erlässt die hannoversche Regierung einen Erlass, das die allgemeine Religionsfreiheit nun uneingeschränkt bekräftigt. Am 24. Juni 1825 wird die Pfarre dem Bistum Osnabrück unterstellt und alle ostfriesischen Gemeinden zu einem eigenen Dekanat zusammengefasst. Erstmalig nach der Reformation spendet am 17. Juli 1832 erstmalig wieder ein Bischof die heilige Firmung in Norden. Die Norder Polizei war gezwungen, die gesamte Sielstraße abzusperren, um der Menschenmasse Herr zu werden. Nur die vornehmsten und angesehensten Bürger der Stadt wurden bis nach vorne durchgelassen. Selbst den protestantischen Zuschauern soll das Ereignis sehr gefallen haben.

1843 wird neben der Kapelle eine Schule eingerichtet. Bis dahin gingen die katholischen Kinder in die protestantischen Schulen, nur der Religionsunterricht wurde von dem jeweiligen katholischen Geistlichen gegeben. Der für die Schule angestellte Lehrer musste zugleich die Aufgaben eines Küsters wahrnehmen und war sehr schlecht bezahlt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kehrt die katholische Gemeinde langsam aber sicher zu seiner alten Form als echte Kirchengemeinde zurück. 1864 wird das Pastorat von der Sielstraße in die Kleinen Osterstraße 32 (heute Nr. 20) verlegt. Mit der Verlegung wurde auch der Ruf nach dem Bau einer neuen Schule laut. Dazu wurde 1874 das Grundstück der (damaligen) Hausnummer 42/43 (heute Nr. 142) erworben, welches schräg gegenüber des Pastorats lag. Die Schülerzahl lag damals bei etwa 40. Nach dem Bau der Schule konnte der alte, unhaltbar gewordene Standort an der Sielstraße endlich geschlossen werden.

Die Ludgeruskirche und das neu erbaute Pfarrhaus im Jahre 1964.

In einem Brief an Bischof von Osnabrück beschreibt der damalige Pfarrer der Norder Gemeinde, Franz-Josef Strieker (im Amt von 1852-1861), den Zustand des Gotteshauses in der Sielstraße. Er schildert (zurecht), dass dieses äußerlich nicht als solches erkennbar und in einem baufälligen, ärmlichen und beschämenden Zustand. Aber auch die Lage in der Sielstraße dürfte ein Argument für einen Neubau an anderer Stelle gewesen sein, denn die Straße galt seit jeher als verrufen und vor allem von Leuten niederer Herkunft oder geringen sozialen Ansehens bewohnt. Sogar ein Bordell soll sich hier befunden haben. Bürger, die hohes Ansehen genossen, konnten jenes verlieren, sollten sie in der Sielstraße gesehen werden. So scheuten viele Gläubige den Weg zur dortigen Kapelle.

In der Frage um einen neuen Standort für die Kirche wählte Strieker anhand eines Stadtplans einen Ort in der Westerstraße und einen in der (Kleinen) Osterstraße. Um genügend Geld aufzubringen, verfügte der Bischof am 6. Februar 1859, dass eine Hauskollekte zur Finanzierung des Baus gesammelt werden soll. So zogen Helfer in den Landdrosteien (Vorläufer der späteren Regierungsbezirke) Aurich und Osnabrück von Haus zu Haus, um Geld für den geplanten Kirchbau in Norden zu sammeln. Der gesammelte Betrag ermöglichte den Kauf des Grundstückes in der Westerstraße. Zu einer Bebauung kam es indes nicht, denn ein bischöfliches Darlehen von 3.600 Mark ermöglichte nun doch den Kauf des Grundstückes in der Osterstraße. Der seit 1869 amtierende Pfarrer Heinrich Kerstiens verkaufte das Kirchenland in der Westerstraße in kleinen Parzellen und konnte dadurch zusätzliche Barmittel erwirtschaften. Für 5.500 rheinische Gulden wurde das Grundstück in der Osterstraße schließlich erworben. Die Gemeinde errichtete ein Pfarrhaus, in das die Kapelle integriert wurde. Ein unkündbares zinsloses Darlehen des Münsteraner Pelzhändlers Josef Hötte, der als außerordentlich wohltätig und gläubig beschrieben wird und vermutlich geschäftlich in Norden war, sicherte schließlich die Finanzierung für den Bau einer richtigen Kirche. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte die Abzahlung beginnen, sobald die Gemeinde dazu in der Lage sei. Am 19. April 1885, dem zweiten Sonntag nach Ostern, wurde der Grundstein für den Bau der Kirche gelegt.

1914 bis 1945

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg weist die Kirche Schadstellen durch Feuchtigkeit auf und muss daher gründlich überholt und gestrichen werden. Während des Krieges verdoppelt sich die Zahl der Kommunionen beinahe auf etwa 3.000 pro Jahr, was auf eine vermehrte Frommheit durch das Kriegsgeschehen zurückgeführt wurde. 1928 wird für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder eine Bronzetafel im Vorraum der Kirche eingeweiht.

Ab 1933 zeichnet sich, bedingt durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten, ein immer kirchenfeindlicheres Klima ab. Die Katholiken werden als Kirchstraßenleute beschimpft. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird ihnen von einigen Norder Bürgern angedeutet, dass sie als nächstes dran sein werden. Um dem zu begegnen, versuchte sich die Norder Gemeinde, unter anderen in der Soldatenfürsorge zu engagieren. Beim Bau der Kaserne in Tidofeld sorgte man für die die Kaserne erbauenden Soldaten und deren Familie. Dennoch bildete sich beispielsweise während eines Gottesdienstes im Jahre 1942 vor der Kirche eine Menschentraube, die den Papst und die Kirche verspottete.

Bereits 1941 musste der Bibliotheksbetrieb der Gemeinde weitestgehend eingestellt werden. Es durfte keine Ausleihen mehr stattfinden und die der Unterhalt dienenden Schriften mussten versiegelt werden. Ab Pfingsten des Jahres war es darüber hinaus nicht mehr gestattet, einen Gottesdienst für die Kriegsgefangenen abzuhalten.

Als Emden am 6. September 1944 von einem verheerenden Luftangriff heimgesucht wurde, nahmen Mitglieder der Gemeinde zahlreiche ausgebombte Familien auf.

nach 1945

Einen starken Wachstumsschub erfuhr die Ludgerus-Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug Vertriebener aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, insbesondere Schlesien. Die Zahl der Gemeindemitglieder stieg von 400 im Jahre 1940 auf 6.000 an. Allein in Norden gab es nun rund 4.800 Katholiken. Besonders die seelsorgerische und geistliche Versorgung der befreiten Kriegsgefangenen, der Vertriebenen sowie der entlassenen Wehrmachtsangehörigen vor große Schwierigkeiten. Dank der Hilfe zahlreicher Militärgeistlicher konnten jedoch zusätzliche Gottesdienste angeboten werden. Zur Linderung der allgemeinen Not und dem Mangel an Gesundheitsfürsorge wurde in der Bleicherslohne 38 zum 1. August 1945 eine Schwesternstation eingerichtet, in der auch Kinder betreut wurden.

Ab 1952 zogen viele Neubürger auf der Suche nach Arbeit in andere Regionen der jungen Bundesrepublik, insbesonders in die Ballungszentren des Ruhrgebiets. Dadurch schrumpfte die Gemeinde wieder merklich.

1964 wird das Pfarrhaus neu erbaut, 1967 folgt das Pfarrheim, das der Gemeinde als Gemeindehaus dient und 1979 erweitert wird.

Auch mit dem Zuzug von sogenannten Boat People, Flüchtlinge aus Vietnam in den 1960er und 1970er Jahren, kamen neue Gemeindemitglieder hinzu. Für die vietnamesischen Katholiken stellt die Kirche bis heute ein regionaler Versammlungsort dar.

Pastoren

Norden-Lütetsburg (1677 bis 1717) ToDo

1677-1677 Nicolaus Mösinger

1677-1678 Eustachius Egidii

1679-1679 Wilhelm Heckling

1680-1680 Wernerus Kemmer

1682-1684 Franciscus Grönincks

1684-1684 Leonhard Marcelis

1684-1715 Franciscus Grönincks

1716-1717 Werner(us) Schmitz

Norden (1717 bis heute)

1717-1727 Michael Klümper

1728-1729 Bernard Eilers

1729-1729 Athanasius Friedhof

1729-1733 Sebastian Walthaus

1733-1777 Emanuel Toholte

1777-1795 Martiniamus Schulte

1795-1795 Liborius Meyer

1796-1800 Pius Brands

1801-1801 Fabiamus Frese

1801-1832 Basilius Frankenfeld

1832-1837 Johann Bernhard Philipp Schulte

1837-1852 Johann Heinrich Lackmann

1852-1861 Franz-Josef Strieker

1861-1863 Anton Tensing

1863-1869 Conrad Heinrich Eduard Richard

1869-1911 Heinrich Kerstiens

1911-1914 Wilhelm Gockel

1914-1938 Hubert Garvert

1938-1946 Heinrich Schulte

1946-1963 Bernhard Kaschny

1963-1972 Lothar Kaiping

1972-1981 Gerhard Olde Monnikhof

1982-1994 Johannes Kinne

Einzelnachweise

  1. Geschichte der Ludgerigemeinde Norden, abgerufen am 31. Juli 2021
  2. Cremer, Ufke (1955): Norden im Wandel der Zeiten, Norden, S. 80f.
  3. Cremer, Ufke (1934): Die Einwohner der Stadt Norden im Jahre 1811, Norden, S. 14

Quellenverzeichnis

Siehe auch