Marktschule

Aus Norder Stadtgeschichte
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Marktschule

Die Karte wird geladen …
Basisdaten
Entstehungszeit 1861
Erbauer Stadt Norden
Bauweise Schulgebäude
Erhaltungszustand 1962 abgebrochen
Genaue Lage Am Markt 50

26506 Norden

Die Marktschule war eine mehrklassige Volksschule (Klassen 1-8) an der Nordwestseite des Norder Marktplatzes. Sie existierte von 1861 bis 1962 und wurde in letztgenanntem Jahr abgebrochen. Erbaut wurde sie auf dem Grund des Haus Weber. Heute befindet sich an ihrer Stelle das sogenannte Haus des Handwerks.

Geschichte

Steigende Schülerzahlen ließen die Kapazitäten der Lutherischen Klassenschule, die kirchliche Schule an der Ludgerikirche, Mitte des 19. Jahrhunderts zu knapp werden. Um 1860 kamen daher Überlegungen auf, diese Schule aufzulösen und eine neue zu errichten. Gelegenheit dazu bot sich, als die Herrnhuter Brüdergemeine das ihr gehörende, nordwestlich des Marktplatzes gelegene Haus Weber veräußern wollte, welches sie aus einer Schenkung des Hero Folkerts Stroman erhalten hatte.[1][2]

Das etwa 900 m² große Grundstück samt Gebäude daraufhin von der Stadt Norden, vertreten durch Bürgermeister Taaks und Amtsassessor Grimsehl, für 2.000 Reichstaler erworben, planiert und hier ein neues Schulgebäude errichtet. Aufgrund ihrer Lage zum Marktplatz wurde die neue Schule Marktschule genannt, offiziell trug sie den Namen der alten Schule an der Kirche (Lutherische Klassenschule) jedoch weiter.[2] Die Baukosten beliefen sich auf 11.000 Taler.[3]

Nach Abbruch des alten Hauses wurde unter Leitung des Zimmermeisters G. Rühaak ein Neubau errichtet. Zusätzlich wurde ein kleines, ebenfalls der Brüdergemeine gehörendes Grundstück, für 150 Mark pro Jahr auf 25 Jahre gepachtet, um hier einen Spielplatz für die Jungen einzurichten.[4]

Unterrichtet wurden die Kinder zunächst im 1. Schuljahr vom Untergehilfen des Präzeptors (Hauptlehrer). Das 2. Schuljahr wurde durch des kirchlichen Kantors Untergehilfen unterrichtet, das 3. Schuljahr vom Obergehilfen des Präzeptors. Im 4. Schuljahr lehrte der Obergehilfe des Kantors. Die Mädchen der vier oberen Schulklassen (5-8) wurden vom Präzeptor selbst, die Knaben der vier obersten Klassen vom Kantor unterrichtet.[4]

1861 umfasste die Schule nur vier Klassenräume, die den Schülern kaum genügend Platz boten. 1874 mussten daher vier weitere Räume an der Westseite durch Baumeister von Hülst angebaut werden.[2] Auf einen Lehrer kamen zwischenzeitlich bis zu 139 Kinder.[4] Die trotz Anbaus unverändert große Raumnot wurde dadurch weiter gesteigert, dass 1877 die Neuweger Schule geschlossen und die Schüler an die Marktschule umgeschult wurden. 1885 glich das Gebäude, das durch jeweils zwei Klassenräume im Erd- und Obergeschoss von den Baumeistern Jüchter und Extra zur Nordseite hin abermals erweitert wurde, einem Irrgarten.[2][4]

An der Schule wurde indes großen Wert auf Zucht und Ordnung gelegt. Die Schüler mussten nach Ende der Pause auf dem 1870 errichteten Pausenhof (heute Parkplatz vor den Häusern 45-49) geordnet antreten und sich unter Wahrung höchster Disziplin in ihre Klassenräume führen lassen. Bei Verstößen gegen die Schulregeln wurde nicht selten vom Rohrstock Gebrauch gemacht.[2]

Geleitet wurde die Schule bis zum 30. April 1884 von einem Präzeptor. Ab dem 1. Mai 1884 oblag die Leitung einem Rektor. Der letzte Hauptlehrer war Kantor Goßmann, der erste Rektor hieß Hermann Dittmer, der zum 1. April 1914 sein Amt niederlegte.[4]

1917 wurde der bis dahin obligatorische Nachmittagsunterricht abgeschafft. Der Grund dürfte an der Knappheit der Heizmaterialien zu suchen sein. Aufgrund des andauernden Ersten Weltkriegs waren viele Güter nur noch schwer zu erhalten, darunter auch das damals vorwiegend zum Heizen genutzte Torf. Auch der das Torf abbauenden Norder Fehngesellschaft dürfte es angesichts zahlreicher Einberufungen zum Kriegsdienst wohl an Arbeitern gemangelt haben.[2]

Am 9. September 1944 wurde die Schule geschlossen und in den Räumlichkeiten eine Auffang- und Beratungsstelle für ausgebombte Emder eingerichtet. Die Stadt Emden war am 6. September 1944 durch alliierte Bombenangriffe fast gänzlich in Schutt und Asche gelegt worden und ihre Bombardierung hielt weiter an. Zahllose Emder suchten daraufhin eine Zuflucht in den umliegenden Städten und Orten. Von der Marktschule aus wurden die Flüchtlinge auf das Stadtgebiet verteilt und in Behelfsheimen sowie freiwillig zur Verfügung gestellten und beschlagnahmten Unterkünften untergebracht.[5]

Bedingt durch den Flüchtlingsstrom in der Nachkriegszeit wuchsen die Klassen der Markt-, wie auch der Zingelschule zu sprichwörtlichen Mammutklassen heran. So waren allein in der Marktschule ganze 23 (!) Klassen untergebracht, auch musste die Sielschule nun von der Marktschule mitverwaltet werden. Im Oktober 1949 verfügten Schulbehörde und Stadt daher die Dreiteilung der Schulen. Die Gliederung sah vor, dass unter Norden I die Marktschule mit elf Räumen, unter Norden II die Zingelschule mit sechs Räumen, zuzüglich einer Schulbaracke mit drei Räumen zusammengefasst wurden. Norden III umfasste vier Räume der Marktschule, vier Räume der Sielschule und zwei Räume an der Westgaster Schule.[2]

Die herrschenden Raumprobleme konnten erst durch den Bau der Grundschule Lintel im Jahr 1955 sowie der Grundschule Im Spiet im Jahr 1962 entspannt werden, die als offizieller Nachfolger der Marktschule gilt. In letztgenanntem Jahr wurde die Marktschule schließlich abgebrochen. Am 26. April 1962 schrieb der Ostfriesische Kurier hierzu: "Die Marktschule stirbt und mit ihr ein Stück Norder Stadtgeschichte."[4] Das nachfolgend erbaute Haus des Handwerks, ein schmuckloser Bau, der mit der Marktschule jedoch architektonische Gemeinsamkeiten teilt, steht seither am Ort der ehrwürdigen Marktschule. Der frühere Schulhof dient nun als Zuwegung zu den Behörden rund um den Fräuleinshof.[2]

Schulleiter

Zeitraum Vollständiger Name
??? - 1884 Kantor Goßmann
1884 - 1914 Hermann Dittmer
1914 - ???
1949 - 1962 Heinrich van Düllen

Trivia

Das Panorama der Schule war untrennbar verbunden mit dem sogenannten Pannkooksboom.

Galerie

Einzelnachweise

  1. Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 125
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 121ff.
  3. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 157
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Schreiber, Gretje (1992): Der Norder Marktplatz und seine Geschichte bis heute, Aurich, S. 126
  5. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 28

Siehe auch