Sicco Theodor van Hülst

Aus Norder Stadtgeschichte
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Sicco Theodor van Hülst (* 2. Oktober 1847 in Emden; † 26. März 1926 in Norden) war ein bedeutender Politiker und wohlhabender Kaufmann. Zu seinen umfangreichen, größtenteils aus Erbschaften stammenden Besitztümern gehörten unter anderem die Stadtvilla Am Markt 15 (seit 1884 Rathaus), Am Markt 64 und der Hof Lintel.

Leben

Der Sohn des in Emden tätigen Mennonitenpredigers Laurenz van Hülst und dessen aus Norden stammender Ehefrau Peta van Hülst, geb. Cremer, kam in der Seehafenstadt als eines von neun Kindern zur Welt. Nach Beendigung der Dienstzeit seines Vaters als Prediger zog die Familie nach Norden und damit in die Nähe der Eltern mütterlicherseits. Dort vermacht sein Großvater Sicco Doden Cremer der Familie eine Immobilie (Am Markt 15), die Laurenz 1855 abbricht und hier ein neues Gebäude errichtet. In diesem Bau befindet sich seit Herbst 1883 das Rathaus der Stadt Norden. In dieser ansehnlichen Stadtvilla verbrachte Sicco Theodor seine Jugendjahre. Nachdem dieser das Markthaus nach dem Tode seiner Mutter geerbt hatte, verkaufte er es 1884 für 50 000 Mark an die Stadt Norden, die das Gebäude seitdem als Rathaus nutzt.

Als junger Mann besuchte Sicco Theodor das Ulrichsgymnasium und wandte sich danach der Landwirtschaft zu. Die Stationen seiner Ausbildung auf diesem Gebiet waren ab 1865 die Ackerbauschule in Neuenburg, 1867/68 die Polytechnische Schule in Hannover und 1869/70 die Landwirtschaftliche Lehranstalt in Berlin. Es folgten Bildungsreisen durch Belgien, Holland, Dänemark und Schweden. Am 16. Mai 1871 heiratete er die Gutsbesitzertochter Indina Johanna Hermann Rieken aus Klein Süder-Charlottenpolder. Aus der Ehe ging 1872 der Sohn Laurens Theodor hervor, der jedoch nur zwei Tage lebte. Das Paar blieb ansonsten zeitlebens kinderlos.[1]

Im Jahr der Eheschließung übernahm van Hülst die Bewirtschaftung des aus dem Cremerschen Besitz stammenden Linteler Hofs in der Norder Nachbargemeinde Sandbauerschaft (ab 1919 mit der Stadt vereint). Im Ersten Weltkrieg zog sich das kinderlose Paar wieder in den Stadtkern zurück, wahrscheinlich an die Doornkaatlohne 14. In seinen besten Jahren gelangte van Hülst zu hohem Ansehen, obwohl er auch Rückschläge und Kritik hinnehmen musste. Er war Vorsitzender des Vereins zur Veredlung der Pferde- und Viehzucht, Vorstandsmitglied des örtlichen Vereins für freiwillige Armenpflege, Vizepräsident des Landwirtschaftlichen Vereins Norden-Berum sowie Deich- und Sielrichter.

Herausragend war von 1881 bis 1914 seine Position als Direktor, vorher Vizedirektor, der Norder Fehngesellschaft. Unter seiner Regie entstand 1894 im Berumerfehner Wald das große Denkmal mit den Namen der bis dahin tätigen Direktoren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand die Amtszeit von van Hülst jedoch unter keinem günstigen Stern. Die in den Geschäftsberichten der Fehngesellschaft immer wieder genannte Nässe des Bodens aufgrund ungünstiger Witterungsverhältnisse beeinträchtigten die Torfgewinnung und die Erträge erheblich. Obwohl es vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges damit wieder aufwärts ging, belastete eine hohe Verschuldung die wirtschaftliche Lage auch weiterhin. Die Gesellschaft musste nicht nur die gesetzlich vorgeschriebene Ablösung der staatlichen Erbpacht auf sich nehmen, sondern beteiligte sich mit hohen finanziellen Aufwendungen auch am Chausseebau und an der Unterhaltung der Wege, Brücken und Schleusen in Berumerfehn. Manche Interessenten lasteten die Negativ-Bilanz ihrem Direktor an.

Als Abgeordneter der Nationalliberalen, deren Parteivorstand er von 1887 bis 1890 angehörte, hatte van Hülst von Oktober 1884 bis Juni 1893 ein Mandat im Reichstag in Berlin. Im Wahlkreis Norden-Emden-Leer (Hannover 1) vertrat er in den Marschgebieten die Interessen der Agrarier, konnte aber auch einen Großteil nationalliberaler Stammwähler in den Städten für sich gewinnen. 1884 erreichte er in den Reichstagswahlen einen Stimmenanteil von 61 Prozent, 1887 sogar 91 und 1890 immerhin noch 72. Die Konservativen hatten in diesen Jahren auf eigene Kandidaten verzichtet. Sie traten erst 1893 wieder in Erscheinung, hochgetrieben von einer Woge heftiger agrarischer Opposition gegen den neuen Kurs des Reichskanzlers Leo von Caprivi, der unter anderem zu einer Senkung der Getreidezölle führte. Die Opposition konzentrierte sich im neuen Bund der Landwirte, von dessen Agitation die Konservativen profitierten. Als sich van Hülst gegen die Interessenpolitik dieses Bundes erklärte, lief ihm die Masse der Wähler weg. 1893 unterlag er dem konservativen Gegenkandidaten Graf Edzard zu Inn- und Knyphausen aus Lütetsburg. Erfolglos blieben 1888 und 1903 seine Kandidaturen für das preußische Abgeordnetenhaus.

Während des Ersten Weltkriegs erwarb er das Haus Am Markt 64, wo er seit dem Tode seiner Frau im Jahre 1918 bis zu seinem eigenen Ableben wohnte.[1]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 102

Quellenverzeichnis

Siehe auch