Stadtschreiber

Aus Norder Stadtgeschichte
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Der Stadtschreiber (auch: Stadtsekretär) leitete die eigentlichen Verwaltungsgeschäfte der Stadt, womit seine Position in etwa mit den späteren Stadtdirektoren verglichen werden kann. Schon damals wurde diese Position mit einem Juristen besetzt.[1] Durch seine Bildung, Erfahrung und lange Dienstzeit konnte er auf die Stadtentwicklung oft einen bedeutenderen Einfluss ausüben als die jeweils nur kurzfristig amtierenden Bürgermeister, von denen es bis 1744 bis zu drei gleichzeitig gab.[2]

In Urkunden wird er oftmals schlicht als schreiber, scribae oder auch als notarius civitatis bezeichnet. Die nach heutigen Maßstäbene eher unbedeutend klingende Position wird den größeren und wesentlicheren Aufgaben des damaligen Amtsinhabers nicht gerecht. Man muss sich daher in die Zeit zurückzuversetzen, wo die Kenntnis über das Lesen und Schreiben (vor allem auf Latein) noch ein Privileg einer reichen Oberschicht war. Doch auch heute finden wir noch die eher nachrangig klingende Bezeichnung Staatssekretär für den höchsten Beamtenstatus im Land.

Die große (Lebens-)Erfahrung und die Rechtskenntnisse (als Notarius publius Caesar oder Dr. jur. Juris Consultus und somit als Jurist) brachten den Stadtschreiber in die Funktion eines ständigen Ratgebers für den Magistrat. Das relativ gute Gehalt, der wachsende Aufgabenkreis, die hohe Verantwortung sowie das soziale und politische Ansehen in der Stadt und darüber hinaus zogen potentielle Bewerber um das Amt des Stadtschreibers an.

Anforderungen

Zu Anfang reichten Kenntnis des Schreibens und der lateinischen Sprache aus. Später war eine Tätigkeit in einer bedeutenden Kanzlei nur mit einer umfassenden Verwaltungsausbildung möglich. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert mussten angehende Stadtschreiber eine akademische oder juristische Ausbildung nachweisen, wobei ein abgeschlossenes Studium anfangs nicht unbedingt für erforderlich gehalten wurde. In vielen, insbesondere größeren Städten, bevorzugte man jedoch einen Rechtsgelehrten.

Für einen Stadtschreiber war es jedenfalls unerlässlich, Rechtskenntnisse zu besitzen, denn ohne sie konnte er seinen Aufgaben, insbesondere als Vollzugsbeamter sowie als Bevollmächtigter in Prozessen und politischen Verhandlungen, nicht nachkommen.

Bei der Einstellung eines Rechtsgelehrten ergab sich für die Stadt die Möglichkeit, ihn gleichzeitig als öffentlichen Notar fungieren zu lassen. Der Verfasser der Reformation Kaiser Sigismunds von 1438 forderte direkt, dass alle Reichsstädte einen Stadtschreiber haben sollten, der öffentlicher Notar sei, "wa es notturftig wurd, (Notariats-)instrument ze machen, das er sy machte, das man kainen anderen suchte oder suchen muste", und meint dann: "man hatt ir gnug mit ain in ainer statt".

Amtszeit

Es war allgemein üblich, Stadtschreiber auf längere Zeit zu bestellen. Sofern nichts dazwischen kam, ergab sich in der Regel eine Lebensstellung. Die Absicht war dabei, die Kontinuität in der Stadtpolitik sicherzustellen. Die offiziellen Stadtoberen, die Bürgermeister, konnten diese Forderung bei ihrer kurzen Amtszeit und dem kurzfristigen Wechsel nicht garantieren. Zudem war dieses Amt eher repräsentativer Natur.

Die Stadt brauchte also dringend jemanden,

  • der volle Übersicht besaß, weil in seinen Händen alle Fäden zusammenliefen,
  • der mit der Korrespondenz der Stadt vertraut war und wichtige Termine überwachte,
  • der die stadtrechtlichen Regelungen kannte und damit umzugehen wusste,
  • der in der Lage war, die schwierige Balance einer verpfändeten Reichsstadt zwischen den Vorstellungen und Forderungen des Pfandherrn (regionaler Herrscher, Fürst, Bischof) und denen des Pfandgebers (Kaiser) zu wahren,
  • der garantierte, dass die formellen Akte der Stadtpolitik (Amtshandlungen) ordnungsgemäß abliefen,
  • der notwendige Eingriffe in den Ablauf rechtzeitig veranlasste,
  • der half, entstandene Fehler rasch zu korrigieren,
  • der täglich in der Lage war, auf Mängel und Bedürfnisse der politischen und der Verwaltungsinstanzen zu reagieren,
  • der einen im rechtlichen Tagesgeschäft erkannten Regelungsbedarf durch angemessene Vorschläge oder Gesetzesdefinitionen beheben konnte,
  • der bei all seinen verwaltungsinternen Tätigkeiten nach außen sehr vorsichtig und geschickt umging und verschwiegen sein musste.

Diesen Ansprüchen konnte ein Stadtschreiber nur genügen, wenn man ihm Gelegenheit gab, entsprechend lange in seiner Stellung Erfahrung zu sammeln und sie umzusetzen.

Aufgaben

Kernaufgabe des Stadtschreibers war die Verfertigung der städtischen Urkunden (unter anderem des Stadtbuches) und der Korrespondenz, wobei er die reine Schreibarbeit zumindest in größeren Städten durch Hilfsschreiber und oftmals auch Kanzleischüler erledigen lassen konnte. Daneben oblag dem Stadtschreiber nicht selten die Aufgabe, Gerichtsverhandlungen zu protokollieren und Urteile anzufertigen. Hierbei dürfte er – auch aufgrund seiner juristischen Kenntnisse – vielfach maßgeblichen Einfluss auf den Urteilstenor gehabt haben. Der Stadtschreiber war ferner ein wichtiger Partner der Stadtregierung (Bürgermeister und Magistrat) beim Planen der Stadtentwicklung, so auch auf Teilgebieten wie der Personalpolitik.

Auf wichtigen Konferenzen und Verhandlungen ließ sich die Stadt von ihrem obersten Diplomaten, dem Stadtschreiber, als Bevollmächtigtem vertreten. Städte hatten manchmal Erklärungen in politischen Verwicklungen, Proteste oder Appellationen abzugeben. Diese machte man lieber vor einer Rechtsperson des eigenen Hauses als vor externen Notaren. Ebenso ließ man Aussagen dritter Personen von politischem Interesse mitunter lieber durch den eigenen Beamten notariell bescheinigen. Da die Stadtregierungen sich nur ungern entschlossen, ihre Originalurkunden fremden Händen anzuvertrauen und über Land zu schicken, war auch die Beglaubigung durch einen öffentlichen Notar erwünscht, der zugleich Stadtbeamter war. Bei einem fremden Notar bestand die Sorge, Fremde könnten unliebsame Einblicke in die Verhältnisse der Stadt nehmen.

Es ist zu bedenken, dass es in der damaligen Zeit noch kein allgemein gültiges niedergeschriebenes öffentliches und privates Recht gab. Aus seiner täglichen Arbeit erkannte der Stadtschreiber in diesem Bereich einen Regelungsbedarf. Sehr häufig wurde er deshalb auch mit dem Entwurf neuer städtischer Gesetze und Satzungen betraut. Viele Stadtschreiber leisteten auf dem Gebiet der Rechtsentwicklung Pionierarbeit und machten sich dadurch in der Geschichte einen Namen.

Entsprechend der Bedeutung seines Amtes stand dem Stadtschreiber zumeist das höchste Gehalt aller städtischen Bediensteten zu (der Bürgermeister war nur ehrenamtlich tätig), das er oftmals durch Notariatsdienste und die Ausbildung junger Schreiber zusätzlich aufbessern konnte.

Bekannte Stadtschreiber

Einer der wenigen bekannten Stadtschreiber war Johann Rudolph Siltmann, der zugleich auch mehrere Norder Stadtansichten zeichnete.[3]

Einzelnachweise

  1. Canzler, Gerhard (1989): Handel und Wandel, Norden, S. 9
  2. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 27
  3. Canzler, Gerhard (1997): Alt-Norden, Weener, S. 39

Siehe auch