Gnadenkirche Tidofeld

Aus Norder Stadtgeschichte
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Gnadenkirche Tidofeld

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Basisdaten
Entstehungszeit 1961
Erbauer Ludgerigemeinde Norden
Bauweise Ziegelsteinbau
Erhaltungszustand erhalten
Genaue Lage Donaustraße 12

26506 Norden

Die Gnadenkirche Tidofeld wurde 1961 im Vertriebenenlager Tidofeld errichtet. Sie ersetzte eine Barackenkirche, die die Bewohner des Lagers selbst errichteten. Heute befindet sich hier die Dokumentationsstätte zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Niedersachsen und Nordwestdeutschland.

Zur Erinnerung an den Vorgängerbau der Gnadenkirche, die sogenannte Lagerkirche Tidofeld, befindet sich seit dem 14. November 1981 die einstige Glocke dieser Kirche als Denkmal vor dem Glockenturm.

Geschichte

Bereits im August 1948 richteten die Bewohner des Lagers in einer Baracke eine Kirche ein. Die Räumlichkeiten dieser Barackenkirche und die laufenden Kosten wurden unter den Bewohnern solidarisch geteilt und die drei im Lager vertretenen Konfessionen (evangelisch-lutherisch, evangelisch-baptistisch und römisch-katholisch) hielten ihre Gottesdienste abwechselnd ab. Aufgrund des großen Zuwachses der (evangelisch-lutherischen) Gemeinde wurde diese Notlösung im Jahr 1961 durch den heutigen Bau ersetzt.[1] Die Grundsteinlegung erfolgte am 15. Juni 1961, bereits am 15. Oktober des Jahres fand der erste Gottesdienst in der neuen Kirche statt. Die offizielle Weihe erfolgte am 17. Dezember.[2] Die zwei verbliebenen Konfessionen besuchten fortan die Baptistenkirche sowie die Ludgeruskirche in Norden.

Der Kirchenraum hat eine Fläche von gut 167 Quadratmetern, der dazugehörige Gemeindesaal eine Fläche von weiteren 38 Quadratmetern. Die Gnadenkirche galt wegen ihrer Größe und Lage inmitten einer Vertriebenensiedlung als eine der bemerkenswerten Vertriebenenkirchen Deutschlands. Das Gebäude ist auch unter kunsthistorischen Aspekten sehenswert: Max Herrmann (Oldenburg), Meisterschüler von Otto Dix und Max Beckmann, schuf die beeindruckenden Glasfenster im Bereich des Eingangs, der ehemaligen Sakristei, des ehemaligen Chorraums und der durch den Umbau nivellierten Empore. Am 28. Februar 1965 wurde der Kirche dann auch eine eigene Orgel übergeben, die das provisorische Harmonium ersetzte.[2]

Das Gelände der Dokumentationsstätte bietet jährlich Raum für große ökumenische Freiluft-Gottesdienste zum Thema Integration, Menschenwürde, Völkerverständigung. Regelmäßig werden Veranstaltungen zu vielfältigen Themen der deutschen Migrations- und Zeitgeschichte ausgerichtet. Zu den Höhepunkten zählten Symposien mit (ehemaligen und aktuellen) Flüchtlingen aus Schlesien, Iran, Syrien und Uganda. Auch werden Sonderausstellungen angeboten, zum Beispiel zur Geschichte der Juden in den preußischen Provinzen Hannover und Ostpreußen oder zur zivilen Seenotrettung im Mittelmeer.[1]

Seit Mitte 2007 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Dokumentationsstätte[1]

Um die Jahrtausendwende sank die Zahl der Gottesdienstbesucher, sodass der Kirchenkreis Norden – nach Übernahme des Gebäudes von der Norder Ludgerigemeinde – im Jahre 2005 eine Umnutzung zur Dokumentationsstätte für die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Niedersachsen und Nordwestdeutschland beschloss.

Für die Schirmherrschaft konnte seit 2008 wiederholt geistliche wie politische Prominenz gewonnen werden. Die geistliche Schirmherrschaft übernahm zunächst die damalige Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann, in ihrer Nachfolge seit Mai 2011 Landesbischof Ralf Meister. Erster gesellschaftspolitischer Schirmherr war der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff. Ihm folgte David McAllister (beide CDU), bevor im April 2013 Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das Ehrenamt übernahm.

Als erster und bislang einziger Ort in der Bundesrepublik Deutschland präsentiert die Dokumentationsstätte im Norder Ortsteil Tidofeld eine zeitgeschichtliche Dauerausstellung zur Ankunfts- und Integrationsgeschichte der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der (seit 2017) offiziell anerkannte Friedensort der Hannoverschen Landeskirche verbindet diese historische Aufarbeitung seit seiner Einweihung durch Landesbischof Ralf Meister im Nov. 2013 mit gesellschaftspolitischem Engagement für die Integration von Einwanderern der folgenden Jahrzehnte (Gastarbeiter, Boatpeople, (Spät-)Aussiedler) bis hin zu Asylsuchenden und aktuellen Migranten. Die Wahl des Ortes ist dabei entscheidend: Die Gnadenkirche ist der denkmalgeschützte Nachfolgebau einer ehemaligen, ökumenisch genutzten Not- und Barackenkirche in einem der größten Flüchtlingslager Norddeutschlands.

Das Projekt wurde seit 2005 von einem Arbeitskreis des Kirchenkreises vorangetrieben, und die Dokumentationsstätte bleibt eng an den Kirchenkreis Norden angebunden. Gebäude und Grundstück sind dem 2009 gegründeten, kirchennahen Verein Gnadenkirche Tidofeld e.V. überlassen. Institutionelle Träger sind außerdem die Stadt Norden, der Landkreis Aurich und das Bistum Osnabrück. Der Superintendent des Kirchenkreises Norden ist laut Satzung qua Amtes grundsätzlich 1. Vorsitzender dieses Vereins.

Auf Basis der historischen Perspektive kriegsbedingter Migration und Integration von 12 bis 14 Millionen Menschen dringt die Dokumentationsstätte auf einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen, Arbeitsuchenden und Asylbewerbern, Aussiedlern und Migranten gleich welcher Herkunft. Durch den Einsatz moderner Technik (Touchscreens, Multimedia-Guides) werden deutschlandweit einzigartige Zeitzeugen-Interviews zum Medium des Plädoyers für Empathie und friedenspolitische Verantwortung – zu Gunsten einer humanen Gesellschaft gesammelt. Für Schülerinnen und Schüler wurden museumspädagogische Angebote entwickelt.

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Beschreibung der Gnadenkirche Tidofeld beim Kirchenkreis Norden, abgerufen am 25. März 2021
  2. 2,0 2,1 50 Jahre Tidofeld. 1946-1996

Siehe auch