Jüdischer Friedhof

Aus Norder Stadtgeschichte
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Neuer Friedhof

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Basisdaten
Stadtteil/-viertel Ostlintel
Genaue Lage Samson-Allee

26506 Norden

Der Jüdische Friedhof befindet sich in unmittelbarer Nähe zum christlichen Friedhof in Ostlintel. Der Friedhof wurde von der in Norden seit dem 16. Jahrhundert ansässigen jüdischen Gemeinde angelegt und als solcher bis 1938 genutzt.

Geschichte

Erläuterungen zum Mahnmal für die ermordeten Norder Juden.

Der jüdische Friedhof gilt als der älteste Ostfrieslands. Wann genau er angelegt wurde, ist nicht bekannt, eine Anlage erfolgte jedoch in jedem Fall zwischen 1529 und 1559. Eine jüdische Gemeinde in der Stadt ist seit dem 16. Jahrhundert belegt, spätestens seit 1581.[1] Da das Kloster Marienthal auf dessen Ländereien erst 1529 säkularisiert (aufgelöst, verweltlicht) wurde, ist eine frühere Anlage äußerst zweifelhaft, denn jüdische Gräber auf christlichem Boden wären sicherlich nicht toleriert worden. Zunächst bestand nur der Teil im Bereich der heutigen Zuwegung, das Stück östlich der Friedhofskapelle kam erst später dazu.

Ein erster Hinweis auf den Friedhof datiert auf den 22. August 1669. An diesem Tage beschwerte sich der in Norden ansässige Hofjude Meyer Calmans bei der Fürstin Christine Charlotte von Württemberg-Teck darüber, dass Hirten auf den jüdischen Friedhof eindrängen würden, der nun bereits vor über 100 Jahren vom Vorsteher des Norder Armenhauses gepachtet worden sei. Die Fürstin gestattete der Gemeinde daraufhin, das Areal einzuzäunen. Bei der Erneuerung des Pachtvertrages am 20. September 1669 wurden diese Angaben bestätigt und darauf hingewiesen, dass die Juden nach Anweisung die Heuer (Pachtgebühr) alle Jahr richtig und pünktlich bezahlt hätten.[2]

Bis ins 18. Jahrhundert diente der Friedhof teilweise auch verstorbenen Juden aus Aurich, Emden, Esens und Wittmund als letzte Ruhestätte. Er wurde daher in den Jahren 1738, 1770 und 1894 deutlich erweitert. Die Erweiterung von 1738 bezog sich auf ein schmales Stück entlang des Walls, 1770 erfolgte der Ankauf eines anschließenden Geländes und 1894 wurde er in Richtung des christlichen Friedhofs erweitert.[3]

Noch bis mindestens in die 1920er Jahre war der Zugang zum jüdischen Friedhof durch ein hölzernes Tor nebst Zäunen beschränkt.[4] Es ist anzunehmen, dass der Zaun über die Folgejahre verrottete und entfernt wurde. Da die jüdische Gemeinde seit 1941 nicht mehr existierte, wurde der Zaun wohl auch nie erneuert. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der Reichspogromnacht wurde der Friedhof dann auch nicht mehr als solcher benutzt und verkam durch die Vernachlässigung sowie durch Schändungen.

Nach 1945 wurden mehrfach Restaurationen vorgenommen. So wurden vom 30. Oktober bis 10. November 1945 rund 280 ehemalige NSDAP-Mitglieder von der britischen Militärregierung dazu verpflichtet, den jüdischen Friedhof unter Aufsicht des Friedhofswärters Johann Weege wieder herzurichten.[5][6] Auch war es die Militärregierung, die den Friedhof - wie auch alle anderen, im ehemals jüdischen Gemeindebesitz befindlichen Vermögenswerte - eine Sperre legte und das Vermögen schließlich der Jewish Trust Corporation in London übertrug. Diese überschrieb die Besitzrechte mit Schenkungsurkunde vom 13. Juli 1959 auf den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen e.V. mit Sitz in Hannover. Von diesem Verein wird der Friedhof bis heute verwaltet.[7]

1977 wurde der Friedhof durch das Reichsarchiv Groningen (Niederlande) schriftlich und fotografisch dokumentiert. Dabei wurde auch die Inschrift aller (sichtbaren) Grabsteine übersetzt.[8]

In den Jahren 1951, 1952, 1957 und 1978 folgten weitere, umfangreiche Restaurationen am Friedhof. In letztgenanntem Jahr sowie 1981 wurde der Friedhof geschändet. 1993 wurden zahlreiche ältere Grabsteine mithilfe einer großzügigen Spende von von Heinz Ewald Samson restauriert.[1] Vorangegangen waren umfangreiche Freilegungen versunkener Gräber durch Schüler der Berufsbildenden Schule im Jahre 1986.[9]

Grabstätten

Insgesamt sind auf dem 5.783 Quadratmeter großen Areal heute noch 318 Grabsteine erhalten, von denen der älteste aus dem Jahre 1659 und der jüngste aus dem Jahr 1938 stammt. Seit 1990 erinnert ein Sammelgrabstein an neun Personen, die zwischen 1938 und 1940 beigesetzt wurden. Für diese konnten damals aufgrund der damaligen Situation keine eigenen Grabsteine gefertigt werden.[3] Der letzte, mit einer Inschrift versehene Grabstein ist jener des Aron Cossen, welcher am 8. Februar 1938 verstarb.[10]

Am 21. Juni 2005 wurde ein Mahnmal zur Erinnerung an die ermordeten Männer, Frauen und Kinder der ehemaligen Synagogengemeinde Norden aufgestellt und eingeweiht. Gemäß jüdischem Brauch werden hier auch von Nicht-Juden Steine abgelegt. Das Mahnmal wurde vor allem auf Initiative des Ökumenischen Arbeitskreises Synagogenweg errichtet, die sich bereits für die Gedenkstätte auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge eingesetzt hatte.[1]

Mahnmal

Das Mahnmal für die ermordeten Männer, Frauen und Kinder der Norder Synagogengemeinde steht auf einem ovalen Grund, an dessen Rand zwölf weiße Granitsteine auf die zwölf Stämme Israels hinweisen. Die Wand verläuft wellenförmig, dem Leben, der Zeit und der Geschichte vergleichbar. Sie ist geteilt durch einen bleibenden Einschritt, an dessen Innenwänden die Namen der Lager verzeichnet sind, in denen Norder Juden ermordet wurden. Auf dem rostenden Stahl hinterlässt der Regen Spuren wie von Tränen. Die beiden Hälften eines zertrennten Davidsterns aus poliertem Granit öffnen den Blick nach innen und nach außen, in Vergangenheit und Zukunft.[1]

Galerie

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Norden (Kreis Aurich, Ostfriesland): Jüdische Geschichte / Synagoge auf Alemannia Judaica, abgerufen am 14. April 2021
  2. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich
  3. 3,0 3,1 Der Jüdische Friedhof in Norden, abgerufen am 1. März 2021
  4. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 99
  5. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 91
  6. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 94f.
  7. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 95
  8. Zentralarchiv der jüdischen Friedhöfe, abgerufen am 30. April 2022
  9. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 85
  10. Gödeken, Lina (2000): Rund um die Synagoge in Norden. Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866, Aurich, S. 92

Siehe auch